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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 14 | 2020 Ingenieure und Auftraggeber im Dialog

Digitalisierung

Digitale Projektarbeit

Die „Digitalisierung der Baubranche“ wurde zu Beginn dieses Jahres noch häufig mit der Anwendung von Building Information Modeling, kurz BIM, gleichgesetzt. Die Corona-Krise hat dieses recht einseitige Verständnis in einer Geschwindigkeit verändert und weiterentwickelt, für die Planende und Ausführende vermutlich sonst noch Jahre gebraucht hätten. Der Zwang, sich nicht nur mit „neuen“ Medien zu beschäftigen, sondern auch damit arbeiten zu müssen, hat zu einer neuen digitalen Zusammenarbeit geführt. Das Streben nach einer BIM-basierten Planung im Projekt ist dabei nicht weniger wichtig geworden, vielmehr hat sich das allgemeine Verständnis von Digitalisierung erweitert.

Digitale Kommunikation in Zeiten von Corona

Die letzten Monate haben uns einen neuen Blick auf vertraute und über die Jahre hinweg bewährte Arbeitsmethoden werfen lassen. Ist es noch zeitgemäß, für ein kurzes Meeting von Düsseldorf nach Berlin zu fliegen? Ist es der für den Projekterfolg förderlichste Weg, mit ein paar der zahlreich angefertigten Plänen unter dem Arm zum Kunden zu gehen? Oder ist es gerade dieser persönliche Kontakt, der ein Projekt voranbringt und letztlich erfolgreich werden lässt?

Digitale Planungsbesprechungen, die jetzt fast schon zur Gewohnheit geworden sind, haben offensichtliche Vorteile gegenüber Besprechungen vor Ort: Fahrzeiten entfallen, wodurch mehr Zeit für die Projektbearbeitung aufgewendet und CO2 wegen des nicht erforderlichen Fahrwegs mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Auto oder gar dem Flugzeug eingespart werden kann. Durch das aktive Teilen von Dokumenten in digitalen Arbeitsräumen ist es allen Teilnehmern per Klick möglich, auf sämtliche Projektunterlagen zuzugreifen. Besprechungen können thematisch erweitert, respektive angepasst werden, sodass die Effizienz steigt. Nicht zuletzt sind Onlinebesprechungen flexibel in den Arbeitsalltag einzubinden. Sie sind schnell organisiert, lohnen sich bereits für kurze Abstimmungen und sind unabhängig von der Verfügbarkeit von Besprechungsräumen. Noch mehr als bei persönlichen Besprechungen erfordert es jedoch ein höheres Maß an Selbstkontrolle und sozialer Kompetenz, alle Beteiligten eines digitalen Meetings gleichberechtigt zu Wort kommen zu lassen. Ebenso kann das persönliche Verhältnis zum Gesprächspartner online nicht in dem Maße aufgebaut werden, wie es in einem Präsenztermin möglich wäre, zumal die nonverbale Kommunikation in Form von Mimik und Gestik am Bildschirm eingeschränkt oder zumindest erschwert ist. Nicht zuletzt sind die Unternehmen dahingehend gefordert, alle Mitarbeiter*innen gleichermaßen von den digitalen Kommunikationsmitteln zu überzeugen, egal ob alt oder jung, introvertiert oder extrovertiert.

Wie arbeitet ein Ingenieurdienstleister heute? – Digitale Arbeitsprozesse

Während sich die Möglichkeiten zur digitalen Kommunikation sowohl innerhalb der Ingenieurgesellschaft Schüßler-Plan als auch in der Zusammenarbeit mit Auftraggebern und Projektpartnern rasant erweitert und etabliert haben, nimmt die Digitalisierung der Arbeitsprozesse selbst viel mehr Zeit in Anspruch. Es erfolgt immerhin ein einschneidender Eingriff in sämtliche Planungs-, Beratungs- und Managementprozesse. Die Entwicklung neuer Prozesse ist stets mit hohem Investitionsaufwand verbunden. Vor allem in der Startphase sind ausreichende temporale und monetäre Kapazitäten einzukalkulieren. Nicht immer sind Nutzen und Risiken einfach und vor allem realistisch abschätzbar. Und nicht für jedes Unternehmen ist diese Aufgabe stemmbar.

Die Vorteile, die digitales Arbeiten bieten kann, hat Schüßler-Plan bereits vor fast 15 Jahren für sich erkannt. 2006 wurden im Hochbau erste Testprojekte mit einer BIM-Software gestartet. 2012 wurde im Hochbau die BIM-basierte dreidimensionale Tragwerksplanung eingeführt und war bereits ein Jahr später die etablierte Arbeitsmethode mit einem Projekteinsatz von 95 Prozent!

Dank der durchweg positiven Erfahrungen mit der dreidimensionalen Tragwerksplanung im Hochbau wurde diese Planungsmethode im Jahr 2013 bei Schüßler-Plan auch im Ingenieurbau und in der Verkehrsplanung eingeführt. Begleitet war dies jedoch von den Startschwierigkeiten, den geometrisch komplexen Verlauf der Bauwerke adäquat wiederzugeben. Erst mit geeigneten programmtechnischen Ergänzungen konnte letztendlich die Eingabe von Längs- und Querneigungen beachtet sowie die jeweilige Höhenlage berücksichtigt werden. An einer Anpassung der Richtzeichnungen in der Art, dass sie auch für ein BIM-basiertes Modell anzuwenden sind, wird derzeit gearbeitet. In der Projektsteuerung setzt Schüßler-Plan seit dem Jahr 2016 auf BIM.

Digitale Projektarbeit und BIM-Standards

Eng mit der Ausweitung der BIM-Planung verbunden ist die Forderung nach einer cloudbasierten Projektumgebung (CDE). Ziel einer CDE ist es, Daten netz- und ortsunabhängig zur Verfügung zu stellen und dabei stets die Aktualität der Dokumente zu gewährleisten. Obwohl Schüßler-Plan bereits seit über zehn Jahren erfolgreich eine eigene CDE (Plan-it) betreibt und auch sicher im Umgang mit weiteren gängigen CDEs ist, hat die Anwendung von CDEs erst in den letzten Monaten einen immensen Schub erfahren. Der gemeinsame Zugriff auf Dokumente sowie die Möglichkeit, sogar zeitgleich daran zu arbeiten, haben zu einer Effizienzsteigerung im Planungsprozess geführt. Die Zusammenarbeit mehrerer Projektbeteiligter wird vereinfacht und Doppelarbeit sowie Fehler vermieden. Nicht zuletzt führt die Speicherung von Projektdaten in der Cloud auch bei Schüßler-Plan zu einer aktiveren, intensiveren und darüber hinaus nachhaltigeren Zusammenarbeit über die Bürostandorte hinweg, sodass Kernkompetenzen eines jeden Standortes schnell und effektiv abgefragt werden können. In Zeiten des sozialen Abstands ist Schüßler-Plan deutschlandweit zusammengewachsen und bleibt dennoch der kompetente und zuverlässige Ansprechpartner vor Ort.

Der Weg hin zum digitalen Arbeiten zeichnet sich jedoch auch durch kleinere und größere Herausforderungen in der digitalen Zusammenarbeit aus, die es zu bewältigen gilt:

•  Zu Beginn eines Projekts sind einheitliche Bearbeitungsgrundlagen herzustellen. Es entsteht ein hoher Abstimmungsaufwand zwischen den am Projekt beteiligten Parteien hinsichtlich Softwareversionen, Grundlagen (Trassierung, Stadtmodelle), Lagesystemen und Modelldetaillierung.
•  Während die am Projekt beteiligten Fachplaner bislang ihre Arbeit eigenständig erbracht haben, rückt nun die Zusammenarbeit in einem gemeinsamen oder zumindest kollaborierenden Modell in den Fokus. Dies bringt eine zeitliche Vorverschiebung und erhöhte Detaillierung der einzelnen Fachplanungen mit sich und erfordert eine verstärkte Kommunikation untereinander direkt ab Projektstart. Eine Kompatibilität von zu leistender Arbeit laut den Leistungsphasen nach HOAI und dem BIM-Standard ist oftmals nicht einfach zu erzeugen.
•  Die Vorgaben und Richtlinien zu BIM, die seitens der Auftraggeber gerade vermehrt eingeführt werden, sind ein wichtiger Bestandteil für eine erfolgreiche Projektbearbeitung. Dennoch sollten bestehende Richtlinien, wie zum Beispiel die VOB oder diverse CAD-Richtlinien, zeitnah angepasst werden. Insbesondere im Brückenbau sind noch nicht alle Details für einen RAB-Ing-Entwurf modellierbar, wodurch gewisse Details nur in Planableitung dargestellt werden können. Eine enge Abstimmung zwischen Projektleiter und Konstrukteur ist hier zur Fehlervermeidung erforderlich.

Bei all den neuen digitalen Errungenschaften ist und bleibt eine leistungsfähige IT-Infrastruktur die entscheidende Grundlage für alle notwendigen Arbeitsprozesse. Eine mitunter kostspielige Anpassung der Breitbandkapazitäten sowie die ausreichende Versorgung der Mitarbeiter*innen mit der entsprechenden Hard- und Software ist ein immer wieder zu überprüfender Prozess. Zudem ist ein Ausfall der Vernetzung mit einem Stillstand der Arbeit gleichbedeutend. An der einen oder anderen Stelle durfte man in Zeiten des mobilen Arbeitens noch die Leistungsgrenzen der privaten oder auch beruflichen IT-Infrastruktur feststellen. Aber auch das trägt zum Lernprozess im Umgang mit diesen Medien bei.

Ganzheitlich planen – aktiv Zukunft gestalten

All diese Herausforderungen geht Schüßler-Plan offensiv, innovativ sowie verantwortungsbewusst an und verfolgt dabei einen ganzheit-lichen Planungsansatz. Die Schüßler-Plan eigene Akademie bietet ihren Mitarbeiter*innen eine Schulung BIM-Basis an, eine durch planen-bauen 4.0 anerkannte Methodenschulung nach VDI/BS-MT 2552  Blatt 8.1. Dort wird neben dem BIM-Gesamtprozess auch über Anwendungsfälle und Anforderungen sowie über Vertragsgestaltung und Rechtsgrundlagen gelehrt.

Die aktive Begleitung der digitalen Entwicklung im Bauwesen strebt Schüßler-Plan mit zahlreichen Partnerschaften und Kooperationen an. BuildingSMART e.V. und planen-bauen 4.0 sind zwei der Kompetenznetzwerke, in denen Schüßler-Plan die gesellschaftliche Verantwortung aktiv wahrnimmt. Im Rahmen der ARGE BIM4RAIL werden die Erfahrungen aus 13 BIM-Pilotprojekten der DB Netz AG im Auftrag des BMVIs wissenschaftlich evaluiert, um aus den Erfahrungen Handlungsempfehlungen für die Zukunft abzuleiten. Darüber hinaus ist Schüßler-Plan Konsortialpartner im Kompetenzzentrum zu BIM Deutschland, dem nationalen Zentrum für die Digitalisierung des Bauwesens und die zentrale öffentliche Anlaufstelle des Bundes für Informationen und Aktivitäten rund um das Thema Building Information Modeling. Innerhalb von BIM Deutschland ist Schüßler-Plan für die Leitung des Arbeitspakts Strategie 2020+ verantwortlich.

Das digitale Arbeiten ist folglich längst im Arbeitsalltag etabliert, auch wenn die Intensität noch deutlich variiert und sicherlich gesteigert werden kann. In Zeiten des sozialen Abstandhaltens hat nun auch die digitale Kommunikation flächendeckend Eingang in den Arbeitsalltag gefunden. Auch wenn wir uns momentan noch in einer unsicheren Situation befinden, in der eine Voraussage, in welchem Ausmaß wir in den nächsten Monaten und Jahren digital kommunizieren, schwierig ist, kann unabhängig davon festgehalten werden: Wir sind längst nicht am Ende der Fahnenstange angekommen. Die Begriffe „Virtual Reality“ oder „Augmented Reality“ sind in der Baubranche noch eher selten zu hören, geschweige denn zu erleben! Dabei könnten sie einen guten Beitrag dazu leisten, die Sicherheit auf Baustellen zu erhöhen, Bauprozesse zu optimieren oder die im Zuge von BIM entwickelten digitalen Gebäudemodelle mittels AR-Brillen erlebbar zu machen. Planen wir bald mit Fassadenelementen, Schalungen oder gar ganzen Bauwerken aus dem 3D-Drucker, um Zeit, Kosten und vielleicht sogar Ressourcen zu sparen? Es liegt in unserer Hand, die Zukunft zu gestalten! Schüßler-Plan wird den Weg in die digitale Zukunft gehen und dabei aktiv die Entwicklungsprozesse begleiten. Die größte Herausforderung dabei wird es sein, sich und seinen Werten bei all diesen Veränderungen treu zu bleiben.

Autorin: Christina Zimmermann, M.Sc.
Foto: Titelbild, Dirk Krüll