Magazin der Schüßler-Plan Gruppe
Ausgabe 14 | 2020 Ingenieure und Auftraggeber im Dialog
JENS-GÜNTER LANG – Schon vor dem Lockdown gab es den Anspruch, den ÖPNV möglichst schnell auszubauen. Das Regierungsprogramm der Stadt Hamburg setzt massiv auf den Ausbau des ÖPNV, die Takterhöhung im Bus- und Bahnverkehr sowie die Stärkung komplementärer Verkehrsangebote, beispielsweise durch den Ausbau von On-Demand-Lösungen. Ein Programm, das letztlich von der Prämisse getragen wird, im Gesamtverkehrsraum Hamburg den Individualverkehr zurückzudrängen. Die neue Corona-Situation stellt uns vor völlig neue Fragestellungen: Wie können wir unser Angebot so gestalten, dass wir den Fahrgästen das Einhalten der Hygiene- und Abstandsregeln ermöglichen? Die Antwort darauf war, den Fahrplan trotz drastischer Fahrgasteinbrüche nicht einzuschränken, sondern bei 100 Prozent zu bleiben. Auf kurze Frist haben wir das Angebot auf der Straße sogar noch ausgeweitet, also durch Verstärkerfahrten im Busbetrieb sowie On-Demand-Angebote. Aber mittelfristig heißt das für uns – denn Corona wird Spuren hinterlassen und auch der Klimawandel ist ja nicht vorbei –, dass massiv in den U-Bahn-Netzausbau investiert werden muss. Glücklicherweise erzeugt das Thema in Hamburg auf der politischen Ebene völlige Einigkeit.
JENS-GÜNTER LANG – Über die letzten 25 Jahre habe ich die Chance gehabt, mich hier schrittweise – das ist eigentlich das Geheimnis – mit dem Ausbau des Systems zu beschäftigen. Besonders mit der Planung und dem Bau der U4 und später mit ihrer Verlängerung sind wir Schritt für Schritt in die Fragestellung U-Bahn-Ausbau hineingewachsen.
Für den Hamburger Senat war schnell klar, dass eine Verkehrswende nur mithilfe eines U-Bahn-Ausbaus ermöglicht wird. Welche Stadtteile angeschlossen werden sollten, war schnell geklärt. Es gab langjährige Versprechen für eine Schnellbahnanbindung der Stadtteile Osdorfer Born im Osten und Steilshoop und Bramfeld im Westen. Dann musste man einen Weg finden, wie man unter Einschluss dieser beiden dichtbesiedelten Stadtteile eine sinnvolle, verkehrlich netzwirkende Linienverbindung hinbekommt. Dabei ist das berühmte U entstanden: Die U5 verbindet den Osten und Westen durch ein U über die Innenstadt und den Hamburger Hauptbahnhof. Mit dieser Linienführung konnten wir ebenso die Herausforderung der MetroBuslinie 5 angehen: Sie ist verkehrlich die am höchsten frequentierte Buslinie Deutschlands und bereits heute mit Großraum-Bussen und Kapazität-Plus-Bussen in engem Takt befahren. Mit der U5 kann sie langfristig durch eine Schienenverbindung ersetzt werden. Das war der Grundgedanke, so ist die U5 entstanden. Dann wurde das Projekt in verschiedene Bauabschnitte aufgeteilt. Schüßler-Plan ist uns hier ein wesentlicher und wichtiger Partner für den Hauptabschnitt U5 Mitte. Die Planung wurde mit Konzept- und Machbarkeitsstudien vorangetrieben, immer für die einzelnen Abschnitte. Und aktuell sind wir gerade mitten im Vorentwurf und Entwurf.
JENS-GÜNTER LANG – Mir war von Anfang an klar, dass eine neu gebaute U-Bahn heutzutage nur vollautomatisch betrieben werden kann. Ich bin Mitglied in einem UITP-Ausschuss, einem weltweiten Zusammenschluss von Verkehrsunternehmen, und global gesehen ist ein automatischer U-Bahn-Betrieb einfach Stand der Technik. Auch die Bevölkerung und alle, mit denen wir diskutiert haben, fanden das die selbstverständlichste Entscheidung der Welt.
Für den automatischen Betrieb gibt es gute Gründe. Zum einen ist eine automatische U-Bahn viel flexibler als ein konventionelles U-Bahn-System. In einer wachsenden Stadt mit stetig steigenden Fahrgastzahlen ist es essentiell, die Leistung im Vergleich zum konventionellen U-Bahnbetrieb entsprechend anzupassen. Mit einer vollautomatischen U-Bahn können wir Zuglängen oder den Einsatz von Fahrzeugen auf Abstellanlagen ganz einfach per Knopfdruck aus der Betriebszentrale steuern und sind damit viel effizienter. Das sind Anforderungen, die man an einen modernen U-Bahn-Betrieb stellen muss. Auch wenn wir an den Hamburg-Takt denken, wir sprechen da über einen verlässlichen 24 Stunden-Takt, Tag und Nacht: Dieser Anspruch wird an eine Metropole künftig gestellt werden, wenn man wirklich den PKW ersetzen will. Das ist die Challenge. Deswegen gab es keinen anderen Weg, als vollautomatische U-Bahnen zu planen.
JENS-GÜNTER LANG – Wir sind wie Schüßler-Plan früh auf den BIM-Zug aufgesprungen – am Anfang nicht wissend, auf was wir uns da einlassen. Wir sind Mitgründer des BIM-Hubs Hamburgs und haben versucht, das Thema in Hamburg gemeinsam mit der Universität und mit anderen öffentlichen Unternehmen zu formen. Wir haben aber auch gelernt, dass BIM bei einem U-Bahn-Bau noch nicht das etablierte Planungsinstrument ist.
Zudem haben wir auch noch zwei U-Bahn-Projekte gleichzeitig am Laufen: auf der einen Seite die U4-Verlängerung und auf der anderen die U5, an der mehrere Planer/Planungsbüros beteiligt sind. Sie haben ja mit Schüßler-Plan mit dem Hauptabschnitt den größten Teil davon in Ihrer Verantwortung. Wir haben beide Projekte als BIM-Piloten aufgestellt und beiden den Freiheitsgrad gegeben, das Thema mit den unterschiedlichen Planern anzugehen. Das war gut. Wir haben sehr viele Erfahrungen gesammelt. Ob BIM dann auch in weiteren Ausschreibungen und am Bau selbst eingesetzt wird und später tatsächlich die 4D- oder 5D-Planung im Gebäudemanagement und im Anlage- und Assetmanagement zur Anwendung kommt, das werden wir sehen. Da gibt es keine abschließende Erkenntnis. Aber man muss sich auf den Weg machen, wenn man in dieser Welt mitspielen will. Ich habe mindestens drei oder vier BIM-Manager im Haus, in jedem Projekt zwei, die sich nur mit diesen Fragestellungen beschäftigen.
JENS-GÜNTER LANG – Das liegt daran, dass wir immer der kundige Bauherr sein wollen. Wir wollen uns nicht auf Projektsteuerer und -planer verlassen müssen, sondern haben den Anspruch, in Projekten Entscheidungen kundig und selbstverantwortlich mit Beratung zu fällen. Ein Dialog auf Augenhöhe ist hier zentral. Das heißt, wir geben niemals die Projektsteuerung ab, sondern steuern Projekte immer terminlich, finanziell und technisch selbst. Wir bedienen uns aber schon eines Generalplaners, der die Koordination unter den technischen Gewerken vornimmt und Planungsleistungen für uns erbringt. Das haben wir ja mit Schüßler-Plan auch bei der U5 so gemacht.
Die Personalgewinnung für die U5 war relativ leicht, weil aus allen Bereichen Mitarbeiter ins U5-Team wollten. Darüber haben wir ungefähr die Hälfte unserer Mitarbeiter generiert. Auch außerhalb des Unternehmens werden wir als kundiger Bauherr wahrgenommen, der mit Planern und Bauunternehmen fair umgeht. Auf Augenhöhe. Das hat auch dazu geführt, dass wir sehr viele Bewerbungen haben von Ingenieuren, die mit uns arbeiten wollen. Das Team ist ein guter Mix aus Leuten aus der Bauindustrie, aus Planern und guten Planungsbüros. An der Stelle haben wir keine Ingenieurknappheit. Wir kriegen aus allen Gewerken – ob es technische Gebäudeausrüstung oder konstruktiver Ingenieurbau oder Gleisbau ist – überall gute Kräfte auch von außen. Das funktioniert.
WOLFGANG WASSMANN – Die Tatsache, dass wir unsere Planung einem kritischen Gremium vorstellen müssen, bei dem Sie ja auch selbst dabei sind, spricht für einen hohen Qualitätsanspruch. Eine weitere Gemeinsamkeit. Ihr Team und die Herangehensweise haben mich bei diesem Projekt sehr angesprochen. Dass wir uns bei dem Workshop veschiedenen Fachfragen stellen, die von externen Fachleuten, aber auch von Ihren internen Fachleuten an uns gerichtet werden, ist sehr zielorientiert und zielführend.
JENS-GÜNTER LANG – Was Sie ansprechen, ist das Thema Projekt-Audit. Zu dem unabhängigen Gremium laden wir neben den Planern, die wir beauftragt haben, auch Fachleute aus dem Schildvortrieb und aus dem Ingenieurbüro ein. Dann sagen wir: Guckt auf all das, was wir als Bauherr und Planer gemacht haben und sagt uns, ob das gut oder schlecht ist und arbeitet heraus, wo ihr Pro-bleme seht. Dieser Prozess ist nie als Kritik gemeint, sondern als Optimierung des Planungsprozesses. Er soll uns am Ende vor Fehlern bewahren. Wir sind als Bauherren und Planer alle nicht fehlerfrei. Mit dem Projekt-Audit, das wir seit einigen Jahren so durchführen, versuchen wir, möglichst viele Fehler auszumerzen. Es hat sich mittlerweile herumgesprochen bei den Planern, dass das Audit eine gute Unterstützung ist.
JENS-GÜNTER LANG – Aus der Erfahrung der vergangenen Jahre haben wir uns sehr früh entschieden, einen eigenen Stabsbereich Bürgerbeteiligung aufzustellen. Wir haben heute zwölf Mitarbeiter bei der Hochbahn, die sich nur mit Bürgerbeteiligung und Baustellenbetreuung beschäftigen. Bei unseren U-Bahn-Projekten haben wir das erste Mal konsequent und ernsthaft mit Bürgern über Varianten diskutiert. In der Vergangenheit ist Bürgerbeteiligung ja eher Bürgerinformation gewesen. Da will ich mich nicht ausnehmen. Aber damit kommen Sie heute nicht mehr durch in einem Projekt. Der Anspruch des Bürgers ist heute mitzureden und, gerade wenn es vor Ort um seine Bedürfnisse geht, auch mitzubestimmen. Dieser Diskussion muss man sich früh stellen, indem man Alternativen aufzeigt und mit den Bürgern in einen Austausch geht. Und es wird belohnt, das muss man wirklich sagen. Man braucht geschulte Moderatoren, die eine konfliktreiche Diskussion dann auch mal wieder einfangen können. Aber am Ende führt es dazu, dass die Bürger die Entscheidungen mittragen. Wir haben Veranstaltungen gehabt, wo Bürger unsere Planung verteidigt haben. Bei der U5 geht es da ja auch erst jetzt richtig los, wenn wir in die weiteren Planungen gehen.
JENS-GÜNTER LANG – Das ist richtig. Am Vatertag bin ich auf dem Trecker auf der Koppel. Und mit meinem Sohn segeln.
WOLFGANG WASSMANN – Sehr gut. Dabei wünsche ich Ihnen viel Spaß.