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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 14 | 2020 Ingenieure und Auftraggeber im Dialog

Hochbau

Kreatives Tragwerk

Neue Messe Süd, Düsseldorf

Zur Neugestaltung des Eingangsbereichs der Messe Düsseldorf gehören ein neues Foyer mit freischwebendem Konferenzbereich sowie eine 12.000 m² große, stützenfreie Ausstellungshalle. Der Bau der Messehalle 1 wurde im September 2019 mit der Inbetriebnahme der Halle abgeschlossen. Architektonisches Highlight ist der etwa 20 m hohe und 150 m lange transluzente und beleuchtete Messeeingang. Seine Dachkonstruktion steht für ein gelungenes Zusammenwirken von Architektur und Tragwerksplanung. Das filigrane Dach soll dem Entrée Leichtigkeit durch schlanke, transparente und weitausladende freie Dachträger verleihen. Daher ruht das Eingangsdach auf nur 19 Schleuderbetonstützen, die ohne Abfangungen in das Tiefgaragensystem integriert sind. Schüßler-Plan verantwortet bei diesem Projekt die Tragwerksplanung und Bauphysik für Halle und Foyer sowie Vorplatz, Eingang Süd und Vordach.

Eyecatcher Messeeingangsdach: einzigartiges Design trifft planerische Raffinesse

Ausgefallene architektonische Ideen sind planerisch anspruchsvoll und manchmal nicht leicht zu realisieren. Umso spannender ist es, wenn sich Architekten und Ingenieure in einen kreativen Austausch begeben und aus diesem Spannungsfeld heraus umsetzbare und ebenso beeindruckende Konstruktionen entwickeln – so geschehen bei dem neuen Entrée der Messe Düsseldorf. Eine Herausforderung war es, mit den Architekten zusammen filigrane Konstruktionen zu entwickeln, die den technischen normativen Anforderungen entsprachen und auch praktisch baubar waren. Um dies herauszufinden, wurden kreative Workshops durchgeführt, bis eine umsetzbare Variante gefunden war, die allen Ansprüchen und Anforderungen genügte: in der Tat ein Spagat zwischen Kunst, Technik, Kosten und Funktionalität.

Die intensivste Entwicklung während der Planung hat das Messevordach durchlaufen: Der ursprüngliche Entwurf von unregelmäßigen und mit Luft gefüllten Waben ist einer gleichmäßigen Rauten-Struktur in Verbindung mit einem membranähnlichen Stoff gewichen. Die Einzigartigkeit der 150 m langen und rund 90 m breiten Dachkonstruktion symbolisiert eine gelungene Symbiose aus Architektur und Tragwerksplanung. Schüßler-Plan entwickelte das statische Konzept für das rund 7.800 m² große Messevordach. Das 150 m lange Stahleingangsdach setzt sich aus rautenförmigen Elementen zusammen und und läuft geometrisch zu einem spitzen Dreieck zu. Es ruht auf nur 19 Schleuderbetonstützen und bildet eine Verlängerung des neuen Hallenkomplexes. Gleichzeitig verbindet es sich in seiner Formgebung mit der wabenförmigen Struktur des angrenzenden Kongresszentrums und den im Hintergrund liegenden Messehallen. Neben dieser verbindenden Funktion markiert es wirkungsvoll den neuen Haupteingang, fügt die Innen- und Außenräume zusammen und dient gleichzeitig als Begegnungsort mit Nahverkehrshaltestellen und Zugang zur Tiefgarage. Die Dacheindeckung besteht oberseitig aus einem teflonbeschichteten, membranähnlichen Glasfasergewebe und kann dank LED-Technik erleuchtet werden. An der unteren Seite der Spanten ist ein PVC-beschichtetes PES-Gittergewebe gespannt. Das Eingangsdach schließt an das gläserne Foyer der Messehallen 1+2 mit freischwebendem Konferenzraum an und ist hinsichtlich seiner großen Spannweite, seiner Form und seiner Technik außergewöhnlich.

Projektdaten

Architektur

slapa oberholz pszczulny | sop architekten


Technische Daten

7.800 m² großes und 150 m langes Dach  
2.100 m² Foyer mit 20 m hoher Glasfassade
und auskragender Konferenzbox
12.000 m² stützenfreie
Ausstellungshalle
9.000 m² eingeschossige Tiefgarage
4.200 t Betonstahl
1.000 t Messeeingangsdach    
1.000 t Profilstahl Hallendach


Leistungen Schüßler-Plan

Tragwerksplanung Lph 1 – 6,
Bauphysik Lph 1 – 6

Filigrane Struktur auf 19 Stützen

Bei der Planung des filigranen Daches galt es, Architektur, Statik, Begehbarkeit und Entwässerungzu einer einfachen Lösung zusammenzuführen. Das Dach besteht aus einem Stahlträgerrost, das auf den 19 Schleuderbetonstützen mit einem Durchmesser von nur 55 cm aufliegt. Die Hauptträger der Stahlkonstruktion sind geschweißte Kastenprofile mit variablen Blechdicken. Die Anordnung der Träger ergibt ein rautenförmiges Raster. Die Seitenlänge einer kleinen Raute beträgt 8,54 m. Die Abmessung der Rauten-Halbierenden in Querrichtung beträgt 8,57 m; in Längsrichtung 14,85 m. Neun kleine Rauten ergeben eine große Raute. An den Ecken einer großen Raute befindet sich jeweils eine Stütze. Die Nebenträger (Spanten) befinden sich innerhalb der kleinen Rauten. Sie laufen zueinander parallel im Abstand von 1,50 m und treffen die Hauptträger im Winkel von 60 Grad. Ein Nebenträger besteht aus zwei Rohrprofilen, von denen ein Rohr leicht nach oben und eines leicht nach unten gebogen ist. An ihren Enden werden diese Profile über ein vertikales Rohr miteinander verbunden. Durch die unterschiedlichen Längen der Nebenträger innerhalb der Raute und den gleichen Biegeradien der Rohre variieren die Hoch- bzw. Tiefpunkte der einzelnen Nebenträger, sodass innerhalb der Raute die Geometrie für ein zweifachgekrümmtes Membranfoliendach entsteht.

Rautenstruktur mit Membrandach

Als Dacheindeckung oberhalb der Nebenträger wurde ein teflonbeschichtetes Glasfasergewebe eingesetzt, dessen Tragverhalten dem einer Membran gleicht. Die Größe eines Textilelements entspricht der Größe einer kleinen Raute. Es überspannt die Nebenträger und wird an einem rund um die Raute verlaufenden Winkel mittels Kederprofil verspannt. Die notwendige zweiachsige Krümmung wird zum einen über die gebogenen Nebenträger (x-Achse) realisiert, zum anderen wölbt sich das Textil zwischen den Nebenträgern leicht (y-Achse). An die Unterseite der Nebenträger wurde ein luftdurchlässiges engmaschiges Gittergewebe gespannt.

Im Westen erfolgt die Dacheindeckung über einen ca. 10 m breiten Zickzack-Streifen aus Trapezblechen. Die Unterseite wird mit Blechen verkleidet. Die Dachentwässerung erfolgt über Rinnen, die auf den Hauptträger aufgeständert sind: Die zu Revisionszwecken begehbaren Rinnen bilden entlang der Rauten jeweils das notwendige Gefälle ab und münden oberhalb der Binderauflagerpunkte an den Stützen. Die Stützenkopfausbildung ist geprägt durch die Binderauflager, Entwässerungstrichter für die Rinnen sowie durch eine Stützenkopfeinschnürung. Hier befindet sich der Dachablauf. Das Regenrohr verläuft innerhalb der Schleuderbetonstützen und wird im Bereich des Stützenfußpunkts an den Regenwasserkanal angeschlossen. Die Rinnen bilden ebenfalls die Befestigungspunkte für die Kederprofile des Foliendaches.

Autor: Dipl.-Ing. Detlef Marks
Foto: Messe Düsseldorf, Ansgar van Treeck