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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 14 | 2020 Ingenieure und Auftraggeber im Dialog

Infrastruktur

Ökologie in der Straßenplanung

OU Zöschen –  Wallendorf – Merseburg

Der Neubau der Ortsumgehung (OU) Zöschen – Wallendorf – Merseburg stellt eine der bedeutendsten Ost-West-Verbindungen zwischen den Ballungsräumen Leipzig und Halle/Merseburg dar. Im Untersuchungsraum der durch Schüßler-Plan zu erarbeitenden Umweltverträglichkeitsstudie sind aus ökologischer Sicht hochinteressante Konfliktschwerpunkte umweltplanerisch zu bewältigen.

Berücksichtigung der Lebensraumvernetzung in der Straßenplanung

Die Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsentwicklung beträgt in Deutschland ca. 58 Hektar pro Tag (Statistisches Bundesamt, 4-Jahres-Mittelwert von 2014 bis 2017). Neben diesem quantitativen Aspekt auf hohem Niveau ist auch deren räumliche Lage ein kritischer Aspekt für eine nachhaltige Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur. Die Zerschneidung von Habitaten und Lebensraumnetzen durch lineare Infrastruktur ist eine der Hauptursachen, die zur Gefährdung von Arten beiträgt. Diese Infrastruktur nimmt einerseits Flächen in Anspruch und andererseits bildet sie Barrieren, die vormals funktional zusammenhängende Lebensräume voneinander trennen, sodass im Populationsverbund der Arten keine ausreichenden Austausch- und Wiederbesiedelungsvorgänge mehr stattfinden können.

Das Planungsbeispiel B 181 stellt eine der bedeutendsten Ost-West-Verbindungen zwischen den Ballungsräumen Leipzig und Halle/Merseburg dar. In der durch Schüßler-Plan zu erarbeitenden Umweltverträglichkeitsstudie (UVS), mit der die Ingenieurgesellschaft nach einer engagiert betriebenen europaweiten Ausschreibungsphase beauftragt wurde, sind aus ökologischer Sicht einige interessante Konfliktschwerpunkte umweltplanerisch zu bewältigen. Hierzu zählen der Erhalt der faunistischen Funktionsbeziehungen sowohl in der Saaleaue als auch im Bereich wichtiger weiterer Biotopverbundflächen, wie z. B. des Kiesgrubenkomplexes bei Wallendorf. Während die Errichtung einer Talbrücke in der Saaleaue sowohl die Barrierewirkung für die Fauna stark mindert als auch dem Hochwasserschutz dient, stellt der Erhalt der Vernetzung im Bereich der Kiesgruben eine planerische Herausforderung dar, da hier frühzeitig über die Notwendigkeit, die Lage und die Ausgestaltung von ökologischen Querungshilfen zu befinden ist.

Projektdaten

Auftraggeber

Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt, Regionalbereich Süd


Leistungen Schüßler-Plan

Umweltverträglichkeitsstudie, FFH-Verträglichkeitsprüfungen, Artenschutzfachbeitrag

Querungshilfen als Mittel zur Sicherung der biologischen Vielfalt

Querungshilfen sind aufwendig, kostenintensiv und können eine hinreichende Effizienz nur entfalten, wenn sie in das Biotopverbundsystem eingebunden und verknüpft sind mit einer optimalen Entwicklung des Umfeldes. Dabei sollen diese Querungshilfen i. d. R. nicht einzelnen Tierarten, sondern einem möglichst breiten Artenspektrum das sichere Queren der Straße ermöglichen. Die ungenügende Berücksichtigung von ökologischen Vernetzungsbeziehungen führt oft zur rechtlichen Angreifbarkeit der späteren Zulassungsentscheidung. Daher wurden im Rahmen der UVS alle relevanten Vernetzungsbeziehungen ermittelt, um bereits bei der Entwicklung von Linienalternativen Beeinträchtigungen zu vermeiden.

Einen Bearbeitungsschwerpunkt stellt dabei der Kiesgrubenkomplex südlich von Wallendorf dar. Dieser ist durch die Überlagerung mehrerer naturschutzfachlicher Restriktionen (Landschaftsschutzgebiet, in Teilen geplantes Naturschutzgebiet und Ausweisung im Regionalen Entwicklungsplan als Vorranggebiet für Natur und Landschaft) und seiner Bedeutung für Reptilien, Amphibien, Avifauna, bodengebundene Klein- und Mittelsäuger sowie Fledermäuse geprägt. Hier konnten Beeinträchtigungen durch die Optimierungsvorschläge von Schüßler-Plan zwar gemindert werden, letztendlich ist aber bei einer ost-west-orientierten Linienführung die Zerschneidung des in diesem Bereiches nord-süd-verlaufenden ökologischen Verbundsystems Sachsen-Anhalt (regional bedeutsame Biotopverbundeinheit „Kiesgrubenflächen Wallendorf/Schladebach") unvermeidbar. Eine wesentliche Planungsaufgabe stellte daher das Aufzeigen optimaler Lösungsmöglichkeiten in Form faunistischer Querungsbauwerke dar. Da Lebensraumnetze des Bundes von der Planung nicht betroffen sind, zeichnet sich die Anordnung von Faunabrücken bzw. -unterführungen mit einer nutzbaren Mindestbreite von 25 m ab, deren Lage mit allen Planungsbeteiligten derzeit intensiv diskutiert wird.

Querungsbauwerke in der Vorplanung

Entscheidend für die Funktionsfähigkeit der Querungshilfen ist neben der Dimensionierung die konkrete Lage, die Gestaltung der Bauwerke und des Umfelds. Die Ableitung der Bauwerksstandorte erfolgte auf Basis der aktuellen Biotoptypenkartierung und insbesondere den Ergebnissen der faunistischen Kartierungen. Als weitere wesentliche Parameter wurden verschiedene Möglichkeiten einer möglichst naturnahen Gestaltung der Bauwerke selbst, des unmittelbaren Umfelds sowie der weiträumigen Einbindung in die Landschaft untersucht. Letzteres kann sowohl durch bereits vorhandene Biotopstrukturen als auch durch Neuanlage oder Optimierung von Trittsteinbiotopen und Strukturelementen erreicht werden.

Obwohl sich das Projekt noch in der Vorplanung befindet, wurde bereits das nachgeordnete Wegenetz berücksichtigt. So wird sowohl das Mitführen von Wegen über/unter die Querungsbauwerke als auch das Heranführen von parallel zur Straße führenden Wegen im Nahbereich der Bauwerke ausgeschlossen. Bauwerksunterhaltungswege werden auf das absolute Mindestmaß beschränkt und als Schotterwege geplant. Das in der Vorplanung/UVS für die Querungsbauwerke gewählte Anspruchsprofil ist dann in der Entwurfsplanung auf Basis der fortschreitenden faunistischen Erkenntnisse und der Datenlage des Landschaftspflegerischen Begleitplanes zu überprüfen.

Autor: Dipl.-Geograph/Dipl.-Umweltwissenschaftler Helge Kramer
Foto: Titelbild, Schüßler-Plan; Faunaunterführung, STZ Wasser, Landschaft, Umwelt Rostock, 2018