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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 14 | 2020 Ingenieure und Auftraggeber im Dialog

Hochbau

Sanierung unter Denkmalschutz

Victoriahöfe Berlin

Die historischen Victoriahöfe in Berlin-Kreuzberg umfassten ursprünglich 12 Höfe. Die noch existierenden drei Höfe stehen unter Denkmalschutz. Die Gebäude werden zu einem multifunktionalen Gebäude mit breiter Nutzungsstruktur umgebaut. Schüßler-Plan ist in diesem anspruchsvollen Projekt u. a. mit der Tragwerksplanung, den Lastermittlungen für die Nachgründung und dem konstruktiven Brandschutz beauftragt.

Projektdaten

Auftraggeber

Cresco, Capital Victoriahöfe Berlin, S.á.r.l.


Architektur

GBP Archtitekten, Berlin


Technische Daten

BGF: ca. 26.200 m²
Fassadenlänge Lindenstraße: 129 m
Dachfläche inkl. Kuppel: 3.169 m²
Neubau-BGF:
ca. 1.480 m², 5 Geschosse


Leistungen Schüßler-Plan

Tragwerksplanung Lph 1 – 6,
Konstruktiver Brandschutz,
Bauzustände der Gebäudegesamtstabilität,
Lastermittlungen für Nachgründungsarbeiten

Das denkmalgeschützte Gebäude Lindenstraße 20 – 25 wurde von 1893 bis 1913 als Zentrale der Victoria Versicherungsgesellschaft durch den Bauingenieur Karl Bernhard, bekannt durch die AEG-Turbinenhalle in Berlin, nach den Plänen des Architekten Wilhelm Walther errichtet. Der Bau im neobarocken Stil stach durch seine moderne Ausstattung, wie eine Zentralheizung, hydraulische und elektrische Aufzüge, hervor. Im Februar 1945 wurde das Gebäude durch einen Luftangriff schwer beschädigt. Der Wiederaufbau erfolgte ohne die Wiederherstellung zerstörter Details. Seitdem erfolgten Nutzungen für verschiedene Zwecke. Einige Bereiche wurden erst in den 1980er-Jahren wiederhergestellt, um das Gebäude als Büro- und Verwaltungsgebäude zu reaktivieren. Durch die jüngeren Nutzungen, wie durch einen Verlag und die Hochschule für Mediendesign, wurden Innenbereiche verändert. Der Bestand sollte zu einem multifunktionalen Gebäude mit breiter Nutzungsstruktur umgebaut werden; die Flächen waren ursprünglich u. a. für Gastronomie und Eventbereiche geplant.

Bauwerkerhalt und Nutzungsänderung

Umbauten dieser Art im Bestand sind sehr komplex, da es allein aus der Bauphysik und den modernen Anforderungen an die Klimatechnik sehr großer, im Haus zu bewegender, Luftvolumina bedarf. Eine enge Interaktion mit dem Objektplaner und der TGA ist hier unabdingbar.

Bedingt durch eine vom Investor gewünschte komplette Nutzungsänderung, war eine erneute Umplanung zu „gemeinschaftlicher Büronutzung mit Co-Working-Bereichen“ zwingend erforderlich. Dies wirkte sich insbesondere in den Haustechnikbereichen aus. Bereits geplante TGA-Trassen waren nun unter völlig anderen Gesichtspunkten durch das Gebäude zu führen. Aufgrund der historischen Gebäudestruktur mit all ihren nicht dokumentierten Veränderungen durch die Kriegseinwirkungen sind solchen Anpassungen schnell Grenzen gesetzt, zumal die Bautätigkeiten bereits in vollem Gange waren und sich daraus entsprechende Bauzustände ergaben. In kritischen Situationen war lösungsorientiertes und vor allem schnelles Handeln gefragt: zum Beispiel als festgestellt wurde, dass massive Außenwände ohne jegliches Fundament erstellt worden waren oder sich Fassadenbereiche über alle Geschosse hinweg, völlig frei, ohne Anbindung an das Gebäude, zu neigen begannen.

Herausforderung Denkmalschutz

Große Deckenbereiche müssen durchörtert oder ersetzt werden. Dies bedingt die umfassende Auskreuzung der Deckenfelder zur Sicherstellung der Scheibenwirkung und somit der Stabilität des Gebäudes. Die Zierbereiche der Fassaden werden komplett instandgesetzt, wobei Ziergiebel abgetragen und an das neue Dachtragwerk angepasst werden mussten. Über dem Haupteingang soll der ehemalige Ziergiebel durch eine neue Dachkonstruktion in Bogenform nachempfunden werden. Hierfür überspannt eine Kuppel mit ca. 20 m Spannweite den Mittelbereich. Diese soll aus akustischen Gründen in Stahlbeton erstellt werden. Um die in das Gebäude einzuleitenden Lasten gering zu halten, ist es notwendig, die beiden Kuppelenden mit Zugankern zu koppeln.

Der vertikale Lastabtrag in den Bestand ist nur durch den Ersatz von Mauerwerkswänden und massiven Nachgründungsarbeiten realisierbar. Bei Bauvorhaben dieser Art gilt es aus Sicht des Tragwerkplaners, den weitestgehenden Erhalt des vorhandenen Bauwerks die aktuellen Forderungen der Bauvorschriften anzupassen. Dabei sind die Wünsche des Auftraggebers, die Anforderungen der Fachplaner, des Denkmalschutzes und natürlich die Vorgaben der Architektur zu berücksichtigen – mitunter ein ziemlicher Spagat.

Autoren: Dipl.-Ing. Michael Hoffmann, Dipl.-Ing. Falk Koch
Foto: Espen Eichhöfer, OSTKREUZ - Agentur der Fotografie