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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 14 | 2020 Ingenieure und Auftraggeber im Dialog

Im Dialog

Zukunftskonzepte für den Flugverkehr

Dr. Pierre Dominique Prümm, Fraport AG, und Bernd Wagenbach, Schüßler-Plan

Schüßler-Plan begleitet die Fraport AG und den Flughafen Frankfurt schon seit über 30 Jahren bei zahlreichen Projekten – im Hochbau, im Ingenieurbau und bei Infrastrukturprojekten. Bernd Wagenbach, Geschäftsführer von Schüßler-Plan, traf sich in der Unternehmenszentrale der Fraport AG zum Ingenieurdialog mit Dr. Pierre Dominique Prümm, Vorstand der Fraport AG und verantwortlich für das Ressort Aviation und Infrastruktur.
Die beiden sprachen über Zukunftskonzepte für den Flugverkehr, über Klimaschutz und über die Vision der Fraport AG für 2030.

Herr Dr. Prümm, wir sitzen hier auf der Dachterrasse Ihrer Unternehmenszentrale mit Blick auf die Megabaustelle des Terminals 3. Mit welchen Gedanken und Gefühlen blicken Sie aktuell auf das Projekt?

DR. PRÜMM – Also wir sind erstmal sehr froh, dass wir mit dem Projekt so gut vorankommen. Auch wenn wir aktuell nur sehr wenig Flugbetrieb an unserem Standort haben, bin ich sicher, dass es eine gute Entscheidung war, Terminal 3 weiter zu bauen. Die grundlegenden Trends und Treiber, die den Luftverkehr in den vergangenen Jahrzehnten haben wachsen lassen, bleiben aus unserer Sicht weiterhin bestehen. Das wird auch wieder dazu führen, dass wir Wachstum sehen werden an unserem Flughafen. Deswegen brauchen wir moderne Terminals. Und das Terminal 3 wird sicherlich eines der besten Terminals in Europa, vielleicht sogar weltweit.

Welche perspektivischen Veränderungen werden sich aus der aktuellen Situation für den nationalen oder internationalen Flughafenbetrieb ergeben?

DR. PRÜMM – Wir haben seit Beginn der Lockdown-Maßnahmen in Deutschland einen Rückgang des Luftverkehrs, wie wir ihn noch nie zuvor erlebt haben. Für die Osterspitze waren wir auf bis zu 250.000 Passagiere pro Tag hier in Frankfurt vorbereitet. Stattdessen sind wir binnen weniger Tage auf einem Niveau zwischen 5.000 und 10.000 Passagieren pro Tag gelandet. Das ist ein Rückgang von 95 Prozent!
Wir gehen davon aus, dass wir ab Mitte Juni wieder wachsenden Luftverkehr sehen werden. Aber wir werden in absehbarer Zeit bei Weitem nicht das Niveau erreichen, das wir im letzten Jahr hatten. Corona wird uns noch über Jahre beschäftigen. Wir erwarten einen neuen Aufsatzpunkt, von dem aus das Wachstum dann wieder losgehen wird. Dieser wird bei den Passagierzahlen deutlich unter dem Niveau von 2019 liegen. Damals konnten wir knapp 71 Millionen Passagiere hier in Frankfurt begrüßen und wir denken, dass wir diese Zahlen frühestens in einigen Jahren wieder erreichen. Dann erst wird das Wachstum weitergehen. Und damit sind wir bei der ersten Frage: Wir werden das Terminal 3 brauchen, um die Passagiermengen wieder zu bedienen.

Sie formulieren einen klaren Führungsanspruch, Sie wollen Europas bester Flughafenbetreiber sein und weltweit Standards setzen. Welche Standards wird das Terminal sowohl für die Passagiere als auch für die Airlines setzen?

DR. PRÜMM – Das neue Terminal wird Standards setzen weit über Deutschland hinaus. Wir können im Terminal 3 modernste Prozesse anbieten für unsere Passagiere: beim Check-In, bei den Sicherheitskontrollen, beim Boarding. Hier haben sich die Prozesse dank der Digitalisierung stark verändert und das werden wir erstmals konsequent darstellen können. Dazu gehört das Thema Einkaufen, das Thema Essen und Trinken, all das werden wir am Terminal 3 auf einem ganz neuen Niveau anbieten können. Von den hochwertig ausgestatteten Lounges wird man einen phantastischen Ausblick auf den Flughafenbetrieb haben. All das wird dazu führen, dass die Passagiere das Terminal 3 lieben werden.

Aus ingenieurtechnischer Sicht ist das Terminal 3 ein Megaprojekt mit vielen Planungsbeteiligten und Schnittstellen hinsichtlich Organisation, Realisierung und Strukturmanagement. Was sind für Schüßler-Plan die Herausforderungen und die Besonderheiten dieses Projekts?

BERND WAGENBACH – Das ist eindeutig die Vielzahl der Beteiligten, also ein Thema für das Projektmanagement. Die Fraport AG hat auf diese besonderen Managementanforderungen frühzeitig reagiert, das Terminal 3 aus der Stammorganisation herausgelöst und in eine eigene Gesellschaft gegeben, in die FAS Flughafenausbau Süd GmbH. Das macht die Prozesse schlanker und geordneter. Es verschafft uns eine reelle Chance, das Projekt in in der vergleichsweise kurzen Zeit tatsächlich planerisch und baulich umzusetzen. Die Herausforderungen an die Ingenieurskunst, in unserem Falle an die Tragwerksplanung, sind dem Projekt durchaus würdig. Weitgespannte Tragwerke, teilweise in Verbundkonstruktion, erlauben die beabsichtigte Großzügigkeit. Wunderschön und wohl ein Alleinstellungsmerkmal ist die Lichtarchitektur. Da haben die Fachplaner mit sehr viel Know-how Lichtszenarien entwickelt, die den Aufenthalt im neuen Terminal sehr angenehm gestalten werden. Technisch wegweisend ist auch die sonstige technische Ausrüstung des Flughafengebäudes, hier merkt man bereits den rasanten Fortschritt der Digitalisierung.

Terminal 3 ist das Kernprojekt. Dazu kommen aber noch zahlreiche andere Infrastrukturprojekte, die zeitgleich gebaut werden müssen. Was ist das für eine Aufgabe, das parallele Management und die Realisierung dieser verschiedenen Infrastrukturmaßnahmen?

DR. PRÜMM – Die Herausforderungen ergeben sich aus der Komplexität, aus dem Zusammenspiel auf einer begrenzten Fläche sowie aus dem Management sehr unterschiedlicher Prozesse in den einzelnen Projekten. Da geht es um Baustelleneinrichtungsflächen, um Logistikkonzepte, aber auch um das Zusammenführen sehr unterschiedlicher Partner und deren Einschwören auf ein gemeinsames Ziel. Das macht das Projektmanagement bei uns so besonders. Schließlich haben wir auch noch einen laufenden Flughafenbetrieb, der zwingend aufrechterhalten werden muss.

BERND WAGENBACH – Als man Ende der neunziger Jahre den kapazitiven Ausbau des Flughafens aufgesetzt hat, gab es eine Liste mit 148 Einzelprojekten. Diese Liste hat hat sich über die Jahre nicht viel verändert. Die Projekte sind geblieben, sie sind nur zeitlich anders gereiht worden. Das bauliche Umsetzen all dieser Maßnahmen war und ist eine logistische Meisterleistung bei Aufrechterhaltung des Betriebs und Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen. Hinzu kommt die große Zahl der Projektbeteiligten mit unterschiedlichen Interessenslagen. Die Situation hat sich aber durch die Ausgründung in die FAS GmbH deutlich verbessert.

Wie wichtig ist aus Sicht der Fraport AG die Unternehmenskultur der Partner, mit denen Sie zusammenarbeiten? Inwieweit helfen da ein gleiches Projekt- und Planungsverständnis, gleiche Wertvorstellungen, gleiche Vorstellungen von Zusammenarbeit und inwieweit steuern Sie das?

DR. PRÜMM – Die Grundvoraussetzung für konstruktives Zusammenarbeiten ist, dass man bestimmte Werte teilt. Man muss nicht immer einer Meinung sein und jeder verfolgt eigene Interessen, aber man muss die Werte kommunizieren und teilen. Mit gegenseitiger Wertschätzung und Toleranz, aber auch mit der gebotenen professionellen Stringenz, erreichen wir gemeinsam unsere Ziele. Das ist uns sehr wichtig.

In den aktuellen Zeiten hat sich die Zusammenarbeit verändert, Projekte werden digital gesteuert und gemanagt. Gibt es in dieser Zeit Anforderungen an die Projektorganisation, an die Kommunikation, die Justierungen in der Zusammenarbeit und in der Projektabwicklung notwendig gemacht haben?

DR. PRÜMM – Wir haben bei der Fraport entschieden, dass wir trotz der Krise alle begonnenen Projekte fortführen. Wir haben kein Projekt wegen Corona gestoppt. Das wäre auch betriebswirtschaftlich und betrieblich Unsinn. Wir haben uns natürlich schon Sorgen gemacht, ob wir alle Projekte am Laufen halten können.  Aber nach inzwischen zehn Wochen Corona-Maßnahmen muss man sagen, es klappt überraschend gut. Natürlich gibt es in jedem Projekt Herausforderungen: Da geht es darum, wirklich zu improvisieren und Lösungen zu finden, aber das schweißt die Projektbeteiligten eher noch zusammen. Auch wenn man sich nicht so häufig persönlich sieht, weiß jeder, was die Stunde geschlagen hat. Ich bin angenehm überrascht, wie gut das auf den Baustellen und in den Projekten funktioniert. Ich weiß nicht, ob Sie das bestätigen können bei anderen Projekten von Schüßler-Plan?

BERND WAGENBACH – Die Zusammenarbeit ist direkter geworden, trotz des fehlenden Live-Acts. Man ist konkreter, man kommt auf den Punkt. Die Besprechungen sind zwar anstrengender, aber sie sind zielführender. Es ist viel leichter, die Ziele miteinander zu kommunizieren, aber auch zu kontrollieren. Ich denke, dass wir viel von dem, was wir jetzt in den zehn Wochen gelernt haben, beibehalten werden. Meiner Meinung nach ist tatsächlich die Effektivität wesentlich gestiegen.

DR. PRÜMM – Das stimmt. Konzentration auf das Wesentliche. Die Punkte, die eigentlich schon immer überflüssig waren, die kann man jetzt viel einfacher weglassen. Das beizubehalten ist Aufgabe der Führung. Da bin ich gespannt, ob wir das wirklich schaffen werden. Das wird nicht ganz einfach.

BERND WAGENBACH – Bei Schüßler-Plan wird es wahrscheinlich ein bisschen leichter. Wir werden in Teilbereichen prüfen, ob die partielle Beibehaltung von mobilem Arbeiten sinnvoll und effektiv sein kann. Meine persönliche Planung ist, meine Reisetätigkeit deutlich zu reduzieren und mehr über die digitalen Medien zu kommunizieren. Für den direkten Kontakt, das Zwischenmenschliche, muss man einen Ausgleich schaffen. Wie der aussehen könnte? Wir hatten, sehr geehrter Herr Dr. Prümm, bei einem unserer letzten Gespräche einmal angeregt, einen Planer-Stammtisch einzurichten, wo sich Kunden und Planer jedes Vierteljahr treffen und sich neben dem allgemeinen Austausch auch mal die Meinung sagen können, wenn es sein muss.  Das wird hoffentlich bald stattfinden können.

Herr Dr. Prümm, ein Kernbegriff aus Ihrem Nachhaltigkeitsanspruch und der Vision der Fraport für das Jahr 2030 ist Klimaneutralität. Ab 2050 will die Fraport AG klimaneutral sein. Was bedeutet das mit Blick auf die Infrastruktur-Maßnahmen, auf die Prozesse, die Abläufe am Terminal, auf dem Vorfeld, für den Flugbetrieb?

DR. PRÜMM – Tatsächlich haben wir den Plan, die Fraport AG hier am Standort Frankfurt klimaneutral aufzustellen, komplett den gesamten Betrieb. Dahinter stehen konkrete Maßnahmen und Schritte, die wir in den nächsten Jahren weiter angehen werden. Das Wichtigste, wenn man CO2 einsparen will, ist, den Verbrauch im Bestand zu reduzieren. Da haben wir noch viel Potential, das ist der größte Hebel, den wir haben. Das werden wir in den nächsten Jahren entsprechend umsetzen und realisieren.
Dann haben wir als zweiten großen CO2-Verbrauchsblock unsere Fahrzeuge. Die werden wir sukzessive umstellen: auf E-Antriebe, wo immer es geht, beziehungsweise auf alternative Antriebe, wo E-Antriebe nicht funktionieren. Für die verbleibenden CO2-Emissionen streben wir an, die Energie klimaneutral exklusiv für die Fraport produzieren zu lassen. Und so werden wir am Ende des Tages tatsächlich einen klimaneutralen Flughafen haben.

Eine gerade sehr aktuelle Herausforderung ist das Thema Gesundheitsvorsorge, das zweite große Sicherheitsthema am Flughafen. Mit welchen Maßnahmen reagieren Sie auf die derzeitige Situation und wie wird das in Zukunft den Flugverkehr betreffen?

DR. PRÜMM – Ich hatte ja erwähnt, dass wir ab Mitte Juni wieder mit steigenden Passagierzahlen rechnen. Wir können Reisende guten Gewissens begrüßen, weil wir alle Vorgaben sowohl von der nationalen-lokalen Behörde als auch von der europäischen Seite her erfüllen. Der Flughafen ist sicher! Wir haben da ein umfassendes Gesamtkonzept umgesetzt, um unsere Terminals „Corona-sicher“
zu machen.

Wir haben über Zukunftskonzepte gesprochen, über Klimaziele, über die Zukunft des Luftverkehrs. Schüßler-Plan begleitet den Flughafen Frankfurt seit über 30 Jahren. Wo sehen Sie beide die Luftfahrt und den Flughafen in 30 Jahren?

DR. PRÜMM – Das sehe ich sehr klar: Auch in 30 Jahren ist Frankfurt einer der führenden Flughäfen in Europa. Frankfurt ist der einzige Flughafen in Mitteleuropa mit einem klaren Expansionskonzept und mit einer klaren Strategie, wie hier weitere Kapazitäten geschaffen werden. Unsere jetzigen Investitionen werden sich in 30 Jahren ausgezahlt haben. Der Luftverkehr wird dann anders aussehen: hoffentlich klimaneutral, nicht nur von der Flughafen-, sondern auch von der Airlineseite; viel digitaler, viel direkter, viel schneller. Das kann nach Corona sogar zu einer Renaissance im Luftverkehr führen, weil das Flugzeug einfach – wenn man mal die Fakten zusammenträgt – das effizienteste Verkehrsmittel ist, das wir auf dieser Welt haben. Wenn wir diese Effizienz verbinden können mit Klimaneutralität, dann gibt es kein Verkehrsmittel, das die Luftfahrt schlagen kann.

BERND WAGENBACH – Der Flughafen Frankfurt wird als intermodaler Verkehrsknoten mit Sicherheit weiter an Bedeutung gewinnen. Aber wir müssen alles dafür tun, dass sich die Zubringerfunktionen verbessern. Denn die Verkehrssysteme, die den Flughafen anbinden, sind an ihrer Kapazitätsgrenze. Wir werden die Autobahnen in Frankfurt rund um den Flughafen herum gänzlich neugestalten. Wahrscheinlich werden wir zweimal zehn Spuren bauen, wenn sich die Mobilität nicht wesentlich ändert. Ein weiteres Problem sind die Fahrzeiten, die sind im Rhein-Main-Gebiet katastrophal. Wenn man sich anschaut, wie lange man für einen Kilometer vom Speckgürtel bis zur Stadt benötigt, dann schneidet Frankfurt neben Stuttgart am schlechtesten ab, sogar München ist da noch besser. Es gibt bereits Studien über Seilbahnen aus dem Speckgürtel von Frankfurt zur Innenstadt. Schüßler-Plan untersucht derzeit den Fernbahntunnel Frankfurt, um mehr Infrastrukturkapazitäten für den Nahverkehr zu schaffen. Das heißt, wir müssen unter die Erde oder in die Luft ausweichen – aus Platzmangel. Darüber muss ganz neu nachgedacht werden.

DR. PRÜMM – Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Man darf den Flughafen nicht isoliert betrachten. Wir können nur dann gute Angebote machen, wenn die entsprechende Anbindung vorhanden ist. Da gibt es viele Herausforderungen hier in der Region.

Herr Dr. Prümm – wir danken Ihnen sehr herzlich für das Gespräch.
Das Interview führte Sandra Heupel am 27. Mai 2020 in Frankfurt
Foto: Heinrich Völkel