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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 15 | 2021 Wissen. Wandel. Zukunft.

Verkehrsplanung

Das Potential von Radschnellverbindungen

Eine Alternative für Pendler*innen

In den vergangenen Jahren hat das Fahrrad als Fortbewegungsmittel im Alltagsverkehr an Bedeutung gewonnen, sei es aus Gründen der Flexibilität, der Kosten, des Umweltschutzes oder einfach, weil Fahrradfahren „cool“ ist. Diesen Trend hat das E-Bike nochmals beschleunigt. Mit ihm lassen sich weitaus höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten erreichen. Das Vergnügen dieser neuen Fortbewegungsalternative wird allerdings auf den vorhandenen Straßen durch eine Vielfalt von potentiellen Konfliktsituationen erheblich gemindert: Hauptproblem ist der Kfz-Verkehr, aber in Ortslagen auch der öffentliche Verkehr, Lieferverkehre und die Fußgänger.

Ein Grund, über geeignete Radwege nachzudenken, die eine konfliktfreie und schnelle Fahrt zum Arbeitsplatz ermöglichen. Diese sollen mittels festgelegter Qualitätsstandards sowie durch ihre Gestaltung das Radfahren über längere Entfernungen hinweg für Pendler*innen attraktiv machen. Zu den grundsätzlichen Anforderungen von Radschnellverbindungen zählen u. a. geringe Steigungen, eine hohe Qualität der Oberfläche, möglichst geringe Verlustzeiten an Knotenpunkten und eine Trassenbreite von 4 Metern, um das Nebeneinanderfahren, das Überholen und das störungsfreie Begegnen der Radfahrer*innen zu ermöglichen.

Von Radschnellwegen und Korridoren

Hessen zählt bei der Umsetzung von Radschnellwegen zu den bundesweiten Vorreitern. Bereits 2017 hat die Landesregierung die Schlüsselfunktion von Radschnellwegen erkannt und beim Zentrum für integrierte Verkehrssysteme (ZIV) eine Potentialanalyse für Radschnellverbindungen in Hessen in Auftrag gegeben. „Dabei ging es zunächst darum, mögliche Nachfragepotentiale zu ermitteln, Qualitätsstandards zu definieren und Korridore zu identifizieren, in denen der Bau von Radschnellverbindungen günstige Voraussetzungen hat. Das Ergebnis der Potentialanalyse dient dann u. a. den jeweiligen Aufgabenträgern als Grundlage für die Ausschreibung von einzelnen Machbarkeitsstudien“, erklärt Stephan Kritzinger, Geschäftsführer des ZIV. 

Für die Auswahl möglicher Korridore eignen sich dabei insbesondere Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte sowie hoher Arbeitsplatz- und Pendlerdichte. Dabei werden diese zunächst auf ihre Pendlerverflechtungen und ihr Potential für berufliche Fahrradpendler untersucht. „Der Begriff Korridor bedeutet nicht, dass damit bereits die künftige Trassenführung feststeht, sondern er bezeichnet einen Raum von bis zu 2 km Breite, in dem Radschnellverbindungen grundsätzlich denkbar sind“, so Stephan Kritzinger weiter. Die Potentialanalyse des ZIV für Hessen kam auf eine Anzahl von insgesamt 42 Korridoren. Bei einem Potential zwischen 800 und 2.000 Radfahrer*innen pro Tag empfiehlt sich zunächst eine detaillierte Machbarkeitsuntersuchung. Bei einem Mindestpotential von täglich 2.000 Radfahrer*innen und mehr eignet sich der Korridor in jedem Fall für die Realisierung einer Radschnellverbindung und dem nächsten Planungsschritt, dem Erstellen einer Machbarkeitsstudie, in der aus verschiedenen Varianten in der Streckenführung eine Vorzugsvariante ermittelt wird.

Radschnellverbindung Darmstadt-Frankfurt

Wie eine solche Umsetzung in der Realität aussehen kann, zeigt die Radschnellverbindung zwischen Darmstadt und Frankfurt, die in der Potentialanalyse des ZIV untersucht worden ist. Ihr erstes 3,7 km langes Teilstück zwischen Egelsbach und Erzhausen wurde im Oktober 2018 in Betrieb genommen. Fahrradfahrer*innen können hier auf breiten Wegen, getrennt von den übrigen Verkehren und mit wenig Kreuzungspunkten, unbeschwert radeln – selbst bei Dunkelheit, denn entlang der Trasse leuchten Lampen mit Bewegungsmeldern den Weg. Und sollte das Fahrrad unterwegs eine Panne haben, so stehen überdachte Reparaturstationen mit Werkzeugen und Luftpumpe zur Verfügung. Die Fertigstellung der weiteren Teilstücke ist innerhalb der nächsten drei Jahre geplant. Ab dann steht die Radschnellverbindung von Darmstadt über Erzhausen, Egelsbach, Langen, Dreieich, Neu-Isenburg bis nach Frankfurt auf einer Länge von insgesamt 30 km vollständig zur Verfügung.

Autoren: Dipl.-Geogr. Stephan Kritzinger und Dr.-Ing. Owen Dieleman
Fotos: Theodor Barth