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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 16 | 2021 Urbanisierung

Reportage | Schumacher Quartier, Berlin

Nachnutzung mit Zukunft

Mit dem neuen Schumacher Quartier auf dem ehemaligen Flugfeld TXL in Berlin wird ein Ort des nachhaltigen Lebens und Wohnens mit entschleunigtem Mobilitätskonzept und großzügigem Grünraum entstehen. Die innere Erschließung wird von Schüßler-Plan entwickelt: klimagerecht, autoarm und freiräumlich einladend.

Nach Schließung des Flughafens Berlin-Tegel sollen die freiwerdenden Flächen für städtebauliche Entwicklungen Berlins genutzt werden. Für den östlichen Teil des Flughafengeländes ist ein neues, über 5.000 Wohneinheiten umfassendes Stadtquartier mit Platz für mehr als  10.000 Menschen geplant. Das Schumacher Quartier soll in Hinblick auf Nachhaltigkeit, neue Mobilität, lebenswertes, umweltfreundliches und grünes Wohnen hohen Anforderungen genügen.

Das Quartier wird eng mit den benachbarten Bestandsquartieren verknüpft. Der Autobahnanschluss der A111 soll zurückgebaut werden und in eine Stadtstraße (Neue Meteorstraße), die am Rand des Schumacher Quartiers verlaufen soll, umgewandelt werden. Schüßler-Plan konzipiert die Verkehrsanlagen für den Bereich der inneren Erschließung des Quartiers mit Blick auf die zukünftigen innerstädtischen Herausforderungen.

Schwammstadt

Um das Quartier klimaneutral zu realisieren, werden grüne Technologien wie Solaranlagen, Geothermie und moderne Energienetze eingesetzt. Gebäude sollen vornehmlich aus Holz gebaut werden. Das anfallende Regenwasser soll vollständig im Gebiet verbleiben und dort dezentral verdunsten oder versickern. Entgegen üblicherweise angewandten Verfahren in der Entwässerungsplanung soll das anfallende Regenwasser in breiten, bepflanzten Retentionsräumen an den Rändern gespeichert werden und verdunsten. Ziel ist es, durch die entstehende Verdunstungskälte einen Beitrag zur Abkühlung der Gebäude und damit zur Verbesserung des Stadtklimas zu leisten. Dieses Prinzip wird im Quartier auch an den Dachflächen angewendet. Darüber hinaus sollen zusätzliche Zisternen in Trockenperioden für die Bewässerung von Pflanzen dienen.

Projektdaten

Auftraggeber

Tegel Projekt GmbH


Technische Daten

Anzahl Bauabschnitte:
3 Bauabschnitte  
Größe des Erschließungsgebietes:
ca. 40 ha (BA 1 bis BA 3)
Befestigte Fläche:
über 75.000 m²
Anzahl LSA geregelter
Knotenpunkte: 5 Knotenpunkte
Anzahl Wohneinheiten:
über 5.000


Leistungen Schüßler-Plan

Objektplanung Verkehrsanlagen
Lph. 1 + 2
Optional 3 – 9
Koordination der fachlich Beteiligten

Autoarm

Die Verkehrsanlagen des Quartiers zeigen Lösungen für neue, umweltfreundlichere Mobilität auf. Wenige Bewohner sollen ein eigenes Auto besitzen – der geplante Stellplatzschlüssel beträgt 0,3 pro Wohneinheit. Öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder und Sharing-Dienste nehmen damit eine wichtigere Rolle in der Verkehrsplanung des autoarmen Quartiers ein, die sich an zu Fuß Gehenden und Radfahrenden ausrichtet. Dazu werden verkehrsberuhigte Bereiche in Form von Mischverkehrsflächen geplant, wodurch eine Barrierefreiheit insbesondere für mobilitätseingeschränkte Menschen erreicht wird. Ausnahme sind die Mobility Hub-Zufahrten an den Rändern des Quartiers. Mobility Hubs sind Quartiersgaragen, in denen verschiedene Quartiersdienste wie Carsharing, Paketsammelstation und Ausleihstation für Fahr- und Lastenräder angeboten werden.

Stadtgrün und Schrittgeschwindigkeit

An das Schumacher Quartier schließt im Westen die frühere Start- und Landebahn an. Dieser Bereich soll als weiträumiger, grüner Landschaftsraum erhalten bleiben und wird in Form eines Parks in die Mitte des Quartiers hinein erweitert. Auch innerhalb der öffentlichen Räume wird mit Grünstreifen und breiten, bepflanzten Retentionsflächen ein grünes Wohnumfeld entwickelt, ohne dabei notwendige technische Erfordernisse wie Schleppkurven, Wendeanlagen und Feuerwehrbelange zu vernachlässigen. Für die Bepflanzung wird auf ein „Animal-Aided-Design“ geachtet, um einen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt zu leisten.

Um den Charakter des verkehrsberuhigten Bereichs zu unterstreichen, werden für die Mischverkehrsflächen Plattenbeläge in unterschiedlichen Formaten und Farbschattierungen kombiniert. Dabei kommen in den Fahrbereichen kleinere Formate und in den Aufenthaltsbereichen vermehrt größere Formate zum Einsatz. Um zu Fuß Gehende und Radfahrende zu schützen und die angestrebte Schrittgeschwindigkeit durchzusetzen, werden die Fahrbereiche wechselseitig versprungen, wodurch ein Durchschießen des MIV mit höheren Geschwindigkeiten verhindert wird. Diese Versprünge werden neben der optischen Führung durch verschiedene Plattenformate meist zusätzlich durch Elemente wie Bänke und Fahrradständer eingeleitet.

Aus Flugfeld wird Wohnraum: Im Ergebnis entsteht ein modernes, nachhaltiges und grünes Quartier, das, obwohl es in unmittelbarer Nähe von vorhandenen hochbelasteten Verkehrsanlagen liegt, ein neues lebenswertes Wohnumfeld schafft.

Text | Jan Müller
Visualisierung | Titel, Tegel Projekt GmbH (Macina); Mitte, Bgmr Landschaftsarchitekten GmbH