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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 16 | 2021 Urbanisierung

Im Dialog mit Christina Zimmermann und Nina Baden-Wassmann

Wir brauchen eine Stadt, mit der sich viele Menschen identifizieren können

Die geschäftsführenden Gesellschafterinnen von Schüßler-Plan, Christina Zimmermann und Nina Baden-Wassmann, erzählen von ihren Visionen für die Stadt der Zukunft: vielfältig, nachhaltig und kommunikativ. Ingenieure können dazu beitragen, diese Stadt zu verwirklichen.

Marie Bruun Yde – Wer ist Schüßler-Plan?

Nina Baden-Wassmann – Schüßler-Plan ist ein großes, inhabergeführtes Ingenieurbüro mit über 950 Mitarbeitern. Wir setzen unseren Fokus auf den konstruktiven Hoch- und Ingenieurbau sowie die Verkehrsinfrastrukturplanung als Ingenieur-Dienstleister. Mittlerweile haben wir über 60 Jahre Erfahrung und entwickeln uns immer mehr von der Bearbeitung einzelner klassischer Ingenieursleistungen hin zu einer ganzheitlichen Planung, einem 360-Grad-Leistungsansatz und Generalplanungsleistungen. Darüber hinaus haben wir durch unsere Baumanagement- und Ausführungsaktivitäten eine große Nähe zum Bau. Der Kunde und der Kundenwunsch bilden für uns das Zentrum.

Christina Zimmermann – Die Übernahme verschiedenster Leistungsspektren und die damit verbundene ganzheitliche Betrachtung der Projekte gewinnt umso mehr an Bedeutung, je fortschrittlicher die Digitalisierung in die Planungsprozesse einfließt. Wir planen, managen und beraten. Mit diesem Selbstverständnis gehen wir viel früher und tiefer in die Interaktion mit den anderen Planungsbeteiligten sowie mit dem Auftraggeber selbst. Und genau, Kundennähe ist für uns entscheidend. Deshalb haben wir in Deutschland 19 Standorte. Wir sind in flachen Hierarchien organisiert, kennen viele unserer Mitarbeiter persönlich und haben den Anspruch, der Ansprechpartner vor Ort zu sein.

Marie Bruun Yde – Was macht Engineering spannend?

Christina Zimmermann – Jeder hat in der Stadt bestimmte Bauwerke, sei es ein Gebäude, eine Brücke oder ein Tunnel, die er täglich nutzt und die er vielleicht auch als besonders wahrnimmt. Unser Antrieb und Ziel ist es, an der Entstehung solcher Bauwerke teilhaben zu können und die Stadt mitzuprägen, und zwar in der Art, dass sich alle Menschen wohl fühlen.

Nina Baden-Wassmann – Ein anderer Aspekt beim Bauen ist die Vielseitigkeit. Bauen ist spannend, komplex, herausfordernd. Wasser, Abwasser, Infrastruktur und Versorgung der Leute, bis hin zu Bauwerken, Design und Architektur – alles ist dabei. Man muss mitunter auch mal spontan reagieren, langweilig wird es nie.

Marie Bruun Yde – Schüßler-Plan ist Partner der Bundesinitiative Klischeefrei, die sich für einen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt frei von Geschlechterstereotypen stark macht. Sie haben auch die Charta der Vielfalt unterzeichnet, bei der Diversität am Arbeitsplatz wertgeschätzt wird. Warum sind Sie diesen Initiativen beigetreten?

Christina Zimmermann – Für mich ist es irrelevant, ob ein Mensch ein Mann oder eine Frau, alt oder jung ist. Mir geht es um Know-how, um Persönlichkeit. Dieses Verständnis ist bei unserer Generation schon ganz anders als früher. Aber für viele Menschen ist es eben noch nicht selbstverständlich. Deshalb finde ich es gut, dass wir in solchen Initiativen drin sind und uns klar dazu bekennen, dass es uns wirklich auf den Menschen ankommt und nicht auf die äußeren Umstände.

Marie Bruun Yde – Urbanisierung ist Diversifizierung. Geht es auch darum, die Vielfalt der Gesellschaft in der Gestaltung der Stadt abzubilden?

Nina Baden-Wassmann – Ein einheitliches Team kommt zu anderen Resultaten als ein diverses Team. Die unterschiedlichen Sichtweisen bereichern eine Diskussion. Im besten Fall kommt man so zu einem Ergebnis, das einen echten Mehrwert für die Mehrheit der Gesellschaft bietet.

Christina Zimmermann – Wir haben schon seit Jahren eine Frauenquote von über 40 Prozent im Unternehmen. Frauen und Männer haben unterschiedliche Argumentationsweisen und Herangehensweisen und davon profitieren unsere Projekte. Ich glaube, je unterschiedlicher ein Team ist und je mehr unterschiedliche Personenkreise beteiligt werden – auch durch Bürgerbeteiligungen –, desto bessere Lösungen werden für die Projekte gefunden und desto höher ist schließlich die Akzeptanz. Wir brauchen Ergebnisse, mit denen sich möglichst viele Menschen identifizieren können, auch dadurch, dass ihre persönlichen Bedürfnisse berücksichtigt werden. Dabei müssen wir auch ständig zukünftige Bedürfnisse und Anforderungen im Blick haben. Große Infrastrukturprojekte haben eine lange Laufzeit und sind oftmals erst nach vielen Jahren fertig. Diese Herausforderung gilt es immer im Blick zu haben.

Marie Bruun Yde – Welche Bedeutung hat die Urbanisierung sonst für Schüßler-Plan?

Christina Zimmermann – Die Städte sind im Wandel. Wir müssen die Verdichtung von Städten und die Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu stellen. Wie lebe ich in Zukunft in Städten? Wie sehen Mobilitätskonzepte der Zukunft aus? Was macht eine Stadt lebenswert? Solche Fragestellungen können wir nur beantworten, wenn wir uns neben unserer Tätigkeit als Ingenieure mit diesen globalen Fragestellungen beschäftigen. Um Tragwerke so gestalten zu können, dass sie auch für zukünftige Nutzungen ausgelegt sind, müssen wir erkunden, was die Zukunft bringt. Und eines ist doch klar: Die Nutzung wird sich über den Lebenszyklus eines Bauwerks in den allermeisten Fällen mindestens einmal ändern.

Nina Baden-Wassmann – Und weitergedacht beeinflusst die Nutzung der Städte wiederum die Infrastruktur. Eine Autobahn durch das Stadtzentrum, die auf maximale Fahrzeugkapazität ausgelegt ist, würde dem heutigen Anspruch nicht gerecht. Auch für die Infrastruktur gilt der Anspruch an Diversität und die Berücksichtigung vielfältiger Nutzungskonzepte. Mobilität ist viel interaktiver geworden. Gebäude, Infrastruktur, Stadt, Land, Umgebung und Menschen vernetzen sich in einem sehr komplexen Gesamtprozess.

Marie Bruun Yde – Wie sieht Schüßler-Plans Stadt der Zukunft aus?

Nina Baden-Wassmann – Eine grüne, lebenswerte Stadt, in der viel Kommunikation ermöglicht wird. In dieser Corona-Zeit merkt man doch besonders, wie sehr man den Kontakt zu Menschen vermisst.  Plötzlich nimmt man wahr, wie wichtig es ist, dass Menschen sich begegnen, dass es Events und Kultur in der Stadt gibt, auch kleine Ereignisse auf der Straße, die Menschen zusammenbringen.

Christina Zimmermann – Jede Stadt sollte ihren eigenen Charakter und Gebäude haben, an denen man die Stadt wiedererkennt. Das können alte historische Identifikationspunkte sein wie eine Kirche oder ein Marktplatz, aber auch neue Gebäude. Außerdem muss eine Stadt ihren Anwohnern gerecht werden. Idealerweise schafft man kurze Wege und Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Vernetzung zwischen den unterschiedlichen Verkehrsarten macht die Stadt erst erlebbar.

Nina Baden-Wassmann – Diesen Balanceakt zwischen einer leistungsfähigen und lebenswerten Stadt für alle mit Platz für Kommunikation und Leben sowie Erreichbarkeit und Vernetzung zu meistern, das ist die Herausforderung, die die Stadt der Zukunft jetzt in Angriff nehmen muss.

Marie Bruun Yde – Welche Rolle spielen Ingenieur*innen bei der Realisierung dieser kommunikativen, vernetzten Stadt?

Nina Baden-Wassmann – Wir Ingenieure erarbeiten in frühen Phasen Konzepte und untersuchen die Machbarkeit möglicher Umsetzungsvarianten. Ist die Entscheidung zur Umsetzung einmal getroffen, planen, beraten und überwachen wir die Maßnahme. Ziel dabei ist, dass ein qualitatives und langlebiges Bauwerk entsteht, das eine Stadt optisch prägt oder funktionell unterstützt.  

Christina Zimmermann – Das führt uns zum Beispiel zu den U-Bahnen und Straßentunneln, die jetzt gebaut werden, weil man den Verkehr von der Oberfläche wegbringen möchte, um der Oberfläche neue Nutzung zukommen zu lassen, während man gleichzeitig relativ einfach von A nach B kommt. Das macht beispielsweise den Rheinufertunnel in Düsseldorf aus: Der Individualverkehr ist auf eine Ebene verlagert, wo man ihn nicht mehr sieht. Dadurch gewinnt man sehr viel Platz und Aufenthaltsqualität. Die Stadt ist wieder mit dem Rhein verbunden, sie bekommt die Natur zurück. Das machen wir Ingenieure natürlich nicht allein, sondern mit ganzen Planungsteams. Die Politik spielt eine tragende Rolle, die Stadtplaner entwickeln Konzepte und letzten Endes versuchen wir Ingenieure, die Bauwerke so zu planen, dass man sie sowohl ökonomisch als auch ökologisch bestmöglich errichten und nutzen kann.

Interview | Marie Bruun Yde
Fotos | Titelfoto und Portraits, Heinrich Holtgreve; Foto 1, Espen Eichhöfer; Foto 2, Dirk Krüll