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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 17 | 2021 Mobilität

Reportage

Kombilösung Karlsruhe

An der Oberfläche wurde der Marktplatz mit seiner klassizistischen Bebauung des Architekten Friedrich Weinbrenner durch eine neue Pflasterung, den Bau der Eingänge in die Station und eine neue Beleuchtung aufgewertet.

Die Stadtbahnen und Straßenbahnen unter die Erde zu führen, ist einmalig in Deutschland. Mit einem effizienteren und attraktiveren Nahverkehr und der Entlastung von Straßen entsteht in Karlsruhe wertvoller Raum für Fußgänger und Radfahrer. Nach zwölf Jahren Bauzeit ist die Umstrukturierung des innerstädtischen ÖPNVs, bei der Schüßler-Pan als Projektsteuerer und Bauoberleiter auftrat, im Dezember 2021 fertiggestellt. Damit macht die Stadt einen großen Sprung in Richtung zukunftsfähige Mobilität.

Ganz in Weiß und einheitlicher Gestaltung präsentieren sich die sieben neuen unterirdischen Stationen der bisher auf der Straße fahrenden Stadtbahnen und Straßenbahnen. Dies ist ein Teil der „Kombilösung Karlsruhe“: ein T-förmiger Stadtbahn- und Straßenbahntunnel unter den beiden Hauptachsen der Innenstadt. Der zweite Teil, ein neuer Autotunnel unter der Kriegsstraße, verlagert den Durchgangsverkehr größtenteils unter die Erde und ermöglicht so oberirdisch den Bau einer Straßenbahntrasse mit drei neuen Haltestellen. Mit dem umfassenden Tunnelbauprojekt reagiert die Stadt auf das erhebliche Kapazitätsproblem des Karlsruher Nahverkehrssystems, das die Qualität der Innenstadt lange beeinträchtigte.

Projektdaten

Auftraggeber

Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft mbH (KASIG)


Standort

Karlsruhe


Technische Daten

Länge des Stadtbahntunnels: 
3,9 km
Unterirdische Haltestellen: 7
Bauweise der Haltestellen:
Deckelbauweise
Aushubtiefe: 18 m
Maschineller Vortrieb mittels 
Hydroschild
2,4 km Tunnelröhre,
Innendurchmesser: 8,20 m
Bergmännischer druckluftunter-
stützter Vortrieb: 240 m
Gesamtlänge inkl. Rampen mit
Südabzweig: 4,4 km


Leistungen Schüßler-Plan

Projektmanagement
Projektsteuerung 
Risikomanagement
Stakeholdermanagement
Qualitätsmanagement
Planmanagement
Vergabemanagement
Baumanagement, Bauoberleitung
Anlieger- und Öffentlichkeits-
management
Baulogistik, Bauablaufplanung
Baustelleneinrichtung
und Flächenmanagement
Planung Verkehrsanlage Straße
und Schiene, Geotechnik   

Zwei neue Tunnel

Im „Karlsruher Modell“ können die Stadtbahnen und Straßenbahnen zwischen Gleich- und Wechselstrom umschalten und damit vom innerstädtischen Netz direkt an die Schienen der Bahn anknüpfen und die umliegenden Gemeinden und Städte mit dem Stadtzentrum verbinden. Durch die Bündelung von bis zu acht Linien in der Fußgängerzone der Kaiserstraße stieß dieses System bereits in den 90er Jahren an seine Grenzen. Eine Lösung musste her, um die Attraktivität der Einkaufsstraße zu erhalten und den Nahverkehr zukunftsfähig zu gestalten. Nachdem der erste Plan der Stadt zum Bau einer U-Bahn im Jahr 1996 im Bürgerentscheid scheiterte, konnte die weiterentwickelte Kombilösung, mit dem Ziel einer von Schienenverkehr befreiten Fußgängerzone, eine Mehrheit erreichen. Die Stadt gründete daraufhin die KASIG (Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft) als Bauherrin der Kombilösung.

Der neue Stadtbahntunnel in West-Ost-Richtung verläuft unter der Kaiserstraße und wurde in maschinellem Vortrieb hergestellt. Er verbindet auf einer Länge von 2,4 km vier Haltestellen. Die bisher oberirdischen Stationen wurden in ihrer Anzahl um eine reduziert und leicht versetzt. Der Nord-Südtunnel verläuft unter der Karl-Friedrich-Straße und der Ettlinger Straße. Mit einer Länge von einem Kilometer wurde dieser teilweise bergmännisch unter Druckluft sowie in offener Bauweise errichtet. 

Architektur und Licht

Da die sieben Stationen sehr nah beieinander liegen, wurde eine einheitliche Gestaltung der U-Bahnhöfe gemeinsam mit dem Büro Allmann Sattler Wappner erarbeitet. Die Eingänge in die unterirdischen Stationen zeigen sich zurückhaltend, mit flachen Brüstungen, die das Material der Bodenpflasterung aufnehmen. Die Treppen und die Böden in den Verteilerebenen sind mit hellgrauem Terrazzo belegt, die Wände aus gestocktem Sichtbeton, zahlreiche Lichtkonen in der Decke erzeugen dynamische Lichtverhältnisse. Glasfassaden an den Zwischenebenen eröffnen den Blick in die Station und auf das Beleuchtungsgeflecht. Auf Bahnsteigebene eröffnet sich die volle Deckenhöhe von über zehn Metern. Durch abgerundete Ecken und einheitlich weißen Betonwerkstein auf dem Boden und an der Wand sowie durch die weiße Decke wird der Raumeindruck verstärkt. Das Lichtkonzept wurde gemeinsam mit dem Designer Ingo Maurer entwickelt. Angelehnt an die Materialität der Oberleitungen hängen zahlreiche LED-Leuchten an einem quer zum Gleisverlauf gespannten Netz aus Edelstahlseilen in zwei Lagen von der Decke. Die Leuchten strahlen sowohl nach unten als auch nach oben in den hohen Luftraum, so sind Licht und Architektur in der ästhetischen Wahrnehmung eng verbunden.

Freiraum in der Stadt

Mit der Inbetriebnahme des neuen Stadtbahntunnels und des Autotunnels wird sich auch die Oberfläche der Stadt nachhaltig verändern. Weniger Verkehr auf der Kriegsstraße bedeutet mehr Aufenthaltsqualität, bessere Radwege und mehr Grün. Die neue Gleistrasse, die mittig auf der Kriegsstraße verläuft, entlastet die parallel verlaufende unterirdische Gleistrasse unter der Kaiserstraße. Der Nahverkehr wird attraktiver. Die Kaiserstraße, nun befreit von den Straßenbahnen, hat Potential, zu zu einer belebten Fußgängerzone zu werden. Die Herausforderung für Karlsruhe wird es sein, diese über zwei Kilometer lange, geradlinige Straße in einen dynamischen und vielfältigen Ort zu verwandeln.

Text / Natalie Scholder
Fotos / Titelfoto und Foto 1, Nikolay Kazakov; Foto 2, Nikolay Kazakov/TM Ausbau