17

Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 17 | 2021 Mobilität

Artikel | Kai Vöckler und Peter Eckart

Mobilitätsdesign – die Zukunft der Mobilität gestalten

Klimawandel und Ressourcenverknappung, aber auch der stetig steigende Verkehrsaufwand machen es unabdingbar, neue Lösungen für eine umweltschonende und menschenfreundliche Mobilität zu entwickeln. Die Technologien sind bereits vorhanden. Was fehlt, ist eine Gestaltung, die den Menschen den Zugang und ein positives Erlebnis der neuen und vernetzten Mobilität ermöglicht: Mobilitätsdesign.

Zukünftig werden wir uns wesentlich häufiger mit öffentlichen oder geteilten Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Fahrrad fortbewegen. Mit der Verfügbarkeit von mobilem Internet und Smartphones sind neue intelligente Mobilitätsformen möglich: Wir sind nicht mehr auf das eigene Fahrzeug angewiesen und werden zukünftig problemlos eine Vielzahl von verschiedenen Verkehrsmitteln nutzen können. Um diese neue Freiheit der Mobilität zu ermöglichen, ist nicht nur ein störungsfreies Zusammenspiel der Verkehrsmittel notwendig, es bedarf auch einer umfassenden Gestaltung der Mobilitätsräume. Dies ist die zentrale Herausforderung für das Mobilitätsdesign: Wie vermitteln wir Menschen ein positives Mobilitätserlebnis? Es geht auch um emotionale Faktoren: Fühle ich mich wohl, fühle ich mich sicher? Wie spricht das System zu mir? Steht es für innovative Mobilität? Drückt es mir gegenüber Wertschätzung aus? Aufgabe des Mobilitätsdesigns ist es, zwischen Mensch und Mobilitätssystem zu vermitteln und Nutzungserfahrungen positiv zu beeinflussen. 

Vernetzen und Teilen – die neue Mobilität

Mit der Umsetzung von intermodaler Mobilität, der Verknüpfung unterschiedlicher Mobilitätsformen auf einem Weg, bahnt sich eine mobilitätstechnische Revolution an, die auf den beiden Prinzipien Vernetzen und Teilen beruht. Gemeinsam geteilte sind effizienter genutzte Verkehrsmittel. Durch die Verbindung von digital gestützten Vermittlungsplattformen wird eine umweltverträgliche und intelligente Mobilität technisch möglich. Aber Smartphones befördern keine Menschen. Dazu bedarf es einer Verkehrsinfrastruktur, die physische Mobilität ermöglicht. Alle diese Mobilitätsangebote sind aber aus der Perspektive der Nutzenden als ein zusammenhängendes System zu begreifen, das sich flexibel den Mobilitätsentscheidungen anzupassen hat. 

Es braucht eine systemische Perspektive

Erst durch die Gestaltung wird Nutzenden die Bedeutung und der Wert dieser neuen und fortschrittlichen Mobilität vermittelt – und zwar unmittelbar, während sie mobil sind. Daher ist hier gestalterisch eine systemische Perspektive notwendig, die alle Bestandteile des Mobilitätssystems mit im Auge behält: vom Fahrradständer über das Transportfahrzeug bis hin zur Bahnhofshalle. Jedes dieser Einzelelemente vermittelt den Nutzenden einen Zugang zum gesamten Mobilitätssystem. Das reicht von der Verständlichkeit und Gebrauchstauglichkeit bis hin zur emotional-symbolischen Wirkung der gestalteten Mobilitätsräume.

Die digitale Erweiterung unserer Mobilität

Die digitale Erweiterung des Mobilitätssystems durch die wachsenden Möglichkeiten des Informationsaustauschs ist für die zukünftige Entwicklung zu berücksichtigen. Dies betrifft nicht nur die Handlungsmöglichkeiten von Nutzenden durch das mobile Internet, sondern auch die Weiterentwicklung des Mobilitätsystems zu einem durch künstliche Intelligenz gesteuerten Systems. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg.

Zunächst umfasst es die Weiterentwicklung herkömmlicher Teile des Mobilitätssystems wie Fahrzeuge, Bauwerke und Gebrauchsgegenstände zu Smart Objects. Diese sollen in der Lage sein, Informationen bereitzustellen, aber auch Daten über sich selbst und ihre Umgebung zu speichern und diese mit anderen zu teilen. So können Objekte und Personen in einem Netzwerk Präsenz zeigen und Beziehungen zueinander aufbauen. Für ein zukünftiges Mobilitätsdesign stellen sich die Fragen: Wie wird in diesen neuen Zusammenhängen Vertrauen geschaffen? Wie werden Vorgänge transparent? Wie wird Handlungsautonomie gewährleistet?

Kai Vöckler und Peter Eckart
sind Autoren zweier neuer Publikationen zum Mobility Design, die Ende 2021 im Jovis Verlag erscheinen. 
Der erste Band fokussiert die Gestaltungspraxis: Bereits heute gibt es Konzepte und realisierte Infrastrukturprojekte, die in beispielhafter Weise die Zukunft einer nachhaltigen und vernetzten Mobilität greifbar machen. Über 60 wegweisende internationale Projekte aus den Bereichen Design, Architektur und Städtebau werden anhand von Fotos, Planzeichnungen und Kurztexten präsentiert. 
Der zweite Band wird die Designforschung zur Förderung umweltfreundlicher, intermodaler Mobilität vorstellen: wegweisende Forschungsprojekte in der Zusammenarbeit der Bereiche Design, Architektur, Verkehrsplanung, Informations- und Kommunikationstechnologie, Psychologie und sozialwissenschaftlicher Mobilitätsforschung an international renommierten Hochschulen.
Design schafft Akzeptanz

Eine alternative, umweltschonende und vernetzte Mobilität muss nicht nur reibungslos funktionieren. Sie muss ebenso ein positives Mobilitätserlebnis vermitteln. Vor allem muss Mobilität zu den Menschen als Produkt sprechen, Wertschätzung zum Ausdruck bringen und verdeutlichen, dass man an einer fortschrittlichen und attraktiven Mobilität teilhat. Das ist eine Gestaltungsfrage: Über die Gestaltung des Mobilitätssystems werden Werte vermittelt. Die individuelle Aneignung und Bewertung ist ein entscheidender Faktor für Akzeptanz. Akzeptanz wird nicht nur durch Kommunikation über eine neue Mobilität, sondern vor allem durch eine Gestaltung des Mobilitätssystems erreicht. Das Design optimiert den Zugang, beeinflusst Erfahrungen positiv und ermöglicht Identifikation. Das ist nicht nice to have, sondern Grundbedingung für den Erfolg.

Text / Kai Vöckler und Peter Eckart
Fotos / Titelfoto und Foto 1, Jannes Linders; Foto 2, Hamish Smyth