Magazin der Schüßler-Plan Gruppe
Ausgabe 17 | 2021 Mobilität
On-Demand-Mobilität ist Mobilität nach Bedarf und nicht nach einem Fahrplan. So wie ich on demand einen Film streame, kann ich mir auch ein Nahverkehrsmittel bestellen. Die Route richtet sich nach den Fahrtwünschen der Kunden. Es gibt eine Vielzahl virtueller Haltestellen, die nicht extra ausgeschildert sind und in den Einzugsgebieten in wenigen Gehminuten erreicht werden können. So erweitern wir den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Das gilt insbesondere für die Last- und First-Mile.
Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) hat entschieden, dass die On-Demand-Angebote keinen Parallelverkehr zum öffentlichen Nahverkehr darstellen, sondern diesen ergänzen sollen. Wir wollen den Ballungsraum vor allem in den Tagesrandzeiten abdecken, in denen weniger Personennahverkehr angeboten wird. Des Weiteren bringen wir die On-Demand-Shuttle dorthin, wo es weniger ÖPNV gibt: in die ländlichen Strukturen. Wir ersetzen damit kein Taxi oder Uber. Unser On-Demand-System bringt die Kunden zum nächstgelegenen ÖPNV-Hotspot, beispielsweise einen Bahnhof, von wo aus sie weiterfahren können.
Im RMV bewegen wir mit Bus und Bahn täglich rund 2,5 Millionen Menschen. Ein Taxi fährt vom Start zum Ziel. Wir dagegen bündeln die Strecken und integrieren sie in den ÖPNV, mit dem Ziel, PKW-Fahrten zu reduzieren. Der selbstlernende Algorithmus der Plattform im Hintergrund bündelt die ständig eingehenden Fahrtwünsche. Das ist der große Vorteil des Poolings, das weder bei Taxis noch bei Uber stattfindet.
Digitalisierung führt dazu, dass wir überhaupt poolen können. Und wenn es uns gelingt, eine Pooling-Rate von 50 Prozent herzustellen, dann generieren wir damit keinen zusätzlichen Verkehr. Erfahrungsgemäß steigen dann zusätzlich Leute vom eigenen Auto auf das On-Demand-Angebot um, weil es genauso flexibel und mit genauso viel Komfort versehen ist.
Für die Zukunft stellen wir uns vor, dass On-Demand vor allem in der Fläche, also in den Landkreisen, ein eigenes, neues ÖPNV-System darstellen kann. Das wird spätestens an dem Zeitpunkt interessant, wenn automatisiertes Fahren das System auch wirtschaftlich macht. Kleinere, flexible On-Demand-Fahrzeuge könnten dann in der Fläche große, teure Linienbusse ersetzen, wenn dort regelmäßig nur zwei oder drei Fahrgäste mitfahren. Insofern koordinieren wir im RMV nicht nur das deutschlandweit größte On-Demand-Projekt, sondern wir forschen in einem weiteren Pilotprojekt parallel dazu auch zum autonomen Fahren.
Im Zentrum einer Großstadt, wo viele U- und S-Bahnlinien im Minutentakt fahren, brauchen wir nicht unbedingt ein On-Demand-Angebot. Der Stadtrand und ländliche Regionen sind die Gebiete, wo es am meisten eingesetzt werden soll. So können in Zukunft diese Räume attraktiver werden.
Heute haben wir im ländlichen Raum, wenn es gut läuft, einen Stundentakt. Zu manchen Tageszeiten und vor allem an Wochenenden ist die Bedienung nicht so gut. Dann nehmen viele eher das Privatauto und bleiben dort auch sitzen, statt in den ÖPNV umzusteigen. Unser Anliegen ist es, neue Kundengruppen zu erreichen und an uns zu binden. Dabei arbeiten wir bei On-Demand nicht gegen das Auto, sondern mit ihm. Jedoch setzen wir ausschließlich auf emissionsfreie Fahrzeuge.
Verkehrswende heißt erst einmal, ein deutlich größeres Angebot zu schaffen, mit dem Ziel einer Verdopplung der Fahrgastzahlen. Die Mobilitätswende muss aber in den Köpfen der Kunden stattfinden. Sie müssen unser System attraktiv finden. Vor diesem Hintergrund gehört zur Mobilitätswende, dass der ÖPNV individueller und der Individualverkehr öffentlicher wird.
Sie könnten zu einer Entspannung der Parkplatzsituation in der Region führen. Lebenswerte Räume beinhalten Geschäfte, Gastronomie, Design, Grün, Tiere – alles, was Menschen mögen. In Zukunft wird es mehr städtische Erlebniswelten geben als heute. Man will sich wohlfühlen, nicht nur in den städtischen Räumen, sondern auch in den Verkehrsmitteln dazwischen. Wenn die Mobilitätswende bzw. das Umsteigen auf Bus und Bahn gelingen soll, muss zuerst die U-Bahn gebaut werden, dann die Häuser und die Stadt, nicht umgekehrt. Um Barrierefreiheit und Sicherheit zu gewährleisten, ist es wichtig, Stadt, Raum und Verkehr zu integrieren.
Wir brauchen viel mehr Ingenieure. Für viele Baumaßnahmen finden wir keine Firmen, die in der Lage sind, diese umzusetzen. Wir brauchen mehr Planer, die ein integriertes Planungsverständnis und einen umfassenden Blick aus der Sicht des Menschen auf das Gesamtsystem haben. Daraus müssen sich dann die einzelnen Sparten – Raumplanung, Stadtplanung, Begrünung, öffentlicher Nahverkehr, Mobilität – ableiten. Wir brauchen in den nächsten zehn Jahren doppelt so viele Planungskapazitäten, um Bauleistungen umsetzen zu können, wenn wir die Mobilitätswende schaffen und die gesetzten Umweltziele erreichen wollen.