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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 18 | 2022 CO2

Im Dialog mit Gregor Bonin

Nachhaltigkeit muss zum Standard werden

Das Bestreben, CO2 zu reduzieren, ist ein zentrales Ziel der Stadtentwicklung Mönchengladbachs. Stadtdirektor Dr.-Ing. Gregor Bonin erzählt, warum sich die CO2-Bilanz Mönchengladbachs verbessern muss und wie das durch klimafreundliche Mobilität, nachhaltiges Bauen, stadträumliche Neustrukturierung und landschaftliche Begrünung gelingt.

Dr.-Ing. Gregor Bonin ist Stadtdirektor und Technischer Beigeordneter/ Dezernat für Planen, Bauen, Mobilität und Umwelt, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft der Stadt Mönchengladbach mbh sowie Verbandsvorsteher des Zweckverbandes LANDFOLGE Garzweiler. Er studierte Architektur in Aachen mit dem Schwerpunkt Städtebau.
Herr Bonin, welche Herausforderungen sehen Sie für die Stadt Mönchengladbach auf dem Weg zur Green City?

In Mönchengladbach habe ich eine Stadt vorgefunden, die ohne strategischen Ansatz war. Insofern war es naheliegend, aus der Stadtplanung heraus einen gesamtstädtischen Nachhaltigkeitsansatz zu erarbeiten und politisch zu etablieren. Vier Bereiche sind für die Zukunft entscheidend: erstens der Lebensraum – dazu zählt die Nachhaltigkeit des Wohnens, des öffentlichen Raums und die Stärkung der sozialen Strukturen. Zweitens die Umwelt, mit den Themen Klima und Mobilität. Drittens die Wirtschaft, die Stärkung des Wirtschaftsstandortes mit Blick auf die Qualität der Arbeitsplätze. Und viertens die sogenannten weichen Standortfaktoren wie Kultur, Sport, Wissenschaft und Bildung. Wichtig ist es, dass die Bereiche ganzheitlich betrachtet werden, um Synergien zu nutzen, und dass die Projekte im Zusammenwirken von Politik, Verwaltung, Bürgerschaft, städtischen Töchtern und anderen Akteuren realisiert werden.

Was ist in den letzten Jahren bereits in diese Richtung geschehen?

Zwischen 2012 und 2019 haben wir den CO2-Ausstoß in Mönchengladbach etwa um 13 Prozent senken können. Mit unserer Teilnahme am Zertifizierungsprozess des European Energie Award werden wir unser klimabewusstes und nachhaltiges Handeln dauerhaft verstetigen. Wir haben einige Maßnahmen, die ihre Wirkung zeigen, z. B. unser Green City Masterplan Elektromobilität. Dabei arbeiten wir mit der NEW AG als lokalem Energieversorger zusammen. Es geht darum, wie E-Mobilität im öffentlichen Raum stattfinden kann, und wie wir als Kommune Akteure vernetzen können. Wir haben außerdem in dem Smart City-Programm über den Bund eine Förderung von 15 Millionen Euro für Digitalisierungsprogramme bekommen. Es sind viele kleinteilige Maßnahmen, die aber dazu führen, dass wir unsere CO2-Bilanz insgesamt verbessern konnten.

Kann der Imagewandel der Stadt über nachhaltige Architektur gelingen?

Architektur kann Nachhaltigkeit vermitteln. Wir haben daher Wettbewerbe und Mehrfachbeauftragung eingeführt sowie Bürgerwerkstätten etabliert. Bei den kommunalen Bauten gehen wir mit gutem Beispiel voran, wie in unserem neuen Verwaltungsgebäude „Rathaus der Zukunft mg+“ sowie unseren Kitas und der Feuerwache, die unter Nachhaltigkeitskriterien errichtet werden. Es geht aber auch darum, wie privat gebaut wird. Mit der Entwicklungsgesellschaft, die die Grundstücksgeschäfte als Dienstleister für die Stadt wahrnimmt, ist vereinbart, Grundstücke nicht ausschließlich über Höchstpreisverfahren, sondern auch über Konzeptverfahren zu veräußern. Gleichzeitig haben wir als Stadt damit die Möglichkeit, Anforderungen an die Architektur für den jeweiligen Standort zu formulieren, die das nachhaltige Bauen fördern. Das stellt den Dreiklang zwischen städtebaulicher Gestaltung, Architektur und Nutzung her.

Wie kann der öffentliche Raum in der Innenstadt nachhaltig gestärkt werden?

In Mönchengladbach gibt es eine 1,2 Kilometer lange Fußgängerzone, zwischen dem Hauptbahnhof und dem Alten Markt. Die Situation des Einzelhandels ändert sich dramatisch, da muss eine langfristige Perspektive her. Gleichzeitig muss die Stadt grüner, generationengerecht, barrierefrei und damit lebenswerter werden. Wir wollen deshalb Einzelhandelsflächen vom Markt nehmen und die Funktionen Arbeiten, Wohnen, Gastronomie und Dienstleistungen ausweiten. Wir sanieren auch aktuell unsere Stadtbibliothek und öffnen sie zum Quartier. Außerdem reduzieren wir den MIV und stärken den ÖPNV in die Innenstadt hinein. Und wir gestalten öffentliche Räume zu Grün- und Bewegungsräumen um.

Wie muss sich die Mobilität verändern?

Der öffentliche Raum muss über eine Neuordnung an die Mobilitätsanforderungen von heute angepasst werden. Dabei muss eine fairere Aufteilung der Mobilitätsformen moderiert werden.  Unser Liniennetz zieht sich bisher mitten durch die Fußgängerzone. Hier nehmen wir die Buslinie raus, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Die Fußgängerzone wird zum Quartier. Die Funktion der ÖPNV-Erschließung muss dann in angrenzenden Straßenzügen erfüllt werden. Aber auch außerhalb der Innenstadt ist die Aufenthaltsqualität durch weniger MIV und mehr Grün entscheidend. Wir entwickeln Null-Energie-Quartiere und autofreie Quartiere. Das Mobilitätskonzept soll aber weiterhin die Erreichbarkeit der Innenstadt mit Fahrrad, ÖPNV, E-Mobilität und Autos gewährleisten.

Welche weiteren Maßnahmen gibt es zur Stärkung der nachhaltigen Mobilität?

Wir haben große Fahrradstationen an den Hauptbahnhöfen gebaut und eine Fahrradstraße dazwischen angelegt. Zusätzlich befinden sich Fahrradboxen an Haltestellen, Abstellanlagen werden in Quartieren und an öffentlichen Gebäuden errichtet, und wir haben das Fahrradverleihsystem nextbike mit Sponsoren einführen können. Dann gibt es das Projekt „SHAREuregio“, in dem Elektrofahrzeuge regional angeboten werden, auch grenzüberschreitend in die Niederlande. Mit unserer Mobilitätssatzung ermöglichen wir preisgünstigeres Bauen und fordern wir Alternativen zum PKW. Auch interkommunale Radschnellwege befinden sich in Planung. Wir sind im Modal Split in Bezug auf den Radverkehr lange nicht über fünf-sechs Prozent gekommen, inzwischen sind wir fast im Landesdurchschnitt, bei zehn-zwölf Prozent. Das zeigt, dass unsere Maßnahmen und der sukzessive Ausbau der Fahrradinfrastruktur greifen.

Wie werden grüne Potenziale aktiviert?

Wir arbeiten beispielsweise daran, die Marktplätze der Ortschaften zu begrünen und das Auto aus diesen Zonen zurückzudrängen. Um grüner zu werden, werden Asphaltflächen zurückgebaut, Straßen werden mit Blüh- und Grünstreifen versehen. Dazu muss auch das ein oder andere Gebäude weichen. Wir haben viele Bäche, von denen einige renaturiert werden. Auch das große Braunkohleloch in Garzweiler soll als Erholungsfläche neu entstehen. Hier wird ein 40 Kilometer langes, grünes Band mit Radweg um das Restloch und den späteren See gelegt, welches wiederum mit den Grünstrukturen und Radwegen der Stadt verbunden ist.

Wie wird in der Seestadt der Ansatz der 15-Minuten-Stadt realisiert?

Die Seestadt ist für uns ein Vorzeigeobjekt, das vom Land als größte Klimaschutzsiedlung in Nordrheinwestfalen ausgezeichnet wurde. Die Seestadt mg+ soll als urbanes Quartier, Büro- und Wohnstandort unterschiedliche Nutzungen für das tägliche Leben erfüllen. Schulen sind in der Nähe, die Nahversorgung ist gewährleistet. Als autofreies Quartier hat die Seestadt kaum eigene Tiefgaragen, sondern Mobilitätshubs. Der gesamte öffentliche Raum wird durch die künstliche Anlage eines Sees, mit Grünflächen und einem Wasserspielplatz gestärkt. Wir müssen als Stadt vorangehen und dafür sorgen, dass nachhaltiges Bauen in Mönchengladbach zum Standard wird.

Interview / Natalie Scholder
Fotos und Visualisierungen / Titelbild, WES GmbH Landschafts-Architektur; Portrait, Stadt Mönchengladbach; Visualisierung 1, sop architekten/ moka-studio; Visualisierung 2, KBNK Architekten/ NEW AG; Visualisierung 3, LAND Germany GmbH 2019; Visualisierung 4, Catella Projekt Management GmbH