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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 18 | 2022 CO2

Wege zur emissionsarmen Bauwirtschaft

Zertifizierung & Umweltschonende Infrastrukturplanung

Wir leben auf zu großem Fuß. Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Rohstoffknappheit: Unser lineares, nach dem Durchflussprinzip konzipiertes Wirtschaftssystem befindet sich auf Kollisionskurs mit den Belastungsgrenzen unseres Planeten. Es muss gelingen, ökologische, wirtschaftliche und soziale Agenden im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zusammenzuführen. Nur so können wir neue, innovative Wege für Produktion und Verbrauch in der Bauwirtschaft schaffen. Nachhaltigkeitskriterien und Zertifizierungen für den Hochbau sowie den Ingenieur- und Infrastrukturbau sind hierbei ein zentraler Faktor. 

Verstärkte Investitionen in „Grüne Immobilien“ sowie die Kriterien der Environment Social Governance sind immer öfter Bestandteil von großen Bauprojekten. Ebenso sorgt die EU-Taxonomie mit Offenlegungspflichten und Nachhaltigkeitskriterien seit 2020 verstärkt für Wirbel in der Bauwirtschaft. In welchem Umfang die EU eigene Nachhaltigkeitsanforderungen und -benchmarks weiter ausgestaltet und diese an „grüne“ Fördertöpfe knüpft, bleibt abzuwarten. Dass nachhaltiges Bauen nachgewiesen, messbar und im Vergleich zu anderen Bauwerken eingeordnet werden muss, ist jedoch gesetzt. Hierfür hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gemeinsam mit verschiedenen Fachexpert*innen ein im deutschen Markt fest etabliertes Zertifizierungssystem für Gebäude entwickelt – auch, um Innovationen Raum zu geben. Dabei richtet die DGNB die Nachhaltigkeitskriterien weniger an einzelnen Maßnahmen aus, sondern an der Gesamtperformance der Gebäude. Über Variantenvergleiche kann unter anderem die richtige Balance zwischen Lebenszykluskosten und Nutzen gefunden werden.

Das DGNB-System bietet eine Vielfalt an Kriterien, die Ideengeber und zugleich Checkliste für unterschiedliche Kundenanforderungen und gesetzliche Vorgaben sind. Kriterien der Ökobilanz finden sich hier ebenso wieder wie Kriterien zur ökonomischen, funktionalen und technischen Qualität von Bauwerken. Dreh- und Angelpunkt bleibt jedoch die Sicherstellung einer hohen Prozessqualität in allen Projektphasen, eine gute Projektkommunikation mit dem Bauherrn und allen fachlich Beteiligten zur bestmöglichen Umsetzung aller gesteckten Projektziele.

„Spannend hierbei ist, dass viele DGNB-Kriterien ebenso für den Ingenieur- und Infrastrukturbau abgeleitet werden können“, so Andreas Winde, Fachbereichsleiter Industrie und Gewerbebau bei Schüßler-Plan und DGNB-Auditor. Die DGNB-Zertifizierung konzentriert sich dabei vorrangig auf Hochbauten. „Aber auch wenn die DGNB keine Zertifikate für Schienen, Tunnel und Brücken vergibt, so sind bereits heute viele Parallelen zu den Nachhaltigkeitskriterien in unseren Infrastrukturprojekten und Forschungsarbeiten sichtbar.“ 

Klimaschutz und Verkehrsinfrastruktur

Die Folgen des Klimawandels spielen bei infrastrukturellen Großprojekten zunehmend eine wichtige Rolle. Dabei stehen oft die möglichen Auswirkungen auf Biodiversität, Artenverschiebungen und das Aussterben von Arten im Fokus. Nicht weniger bedeutend sind die Auswirkungen auf andere Schutzgüter wie Boden, Wasser, Landschaft und Menschen. Extreme Wettereignisse nehmen zu. Entsprechend wachsen die Anforderungen beispielsweise an den Hochwasserschutz, die Tunnelsicherheit oder den Schutz gegen Hangrutschungen. Neben der Vermeidung von Flächenverlusten von Wäldern oder Mooren, die als Treibhausgassenken fungieren, oder der Errichtung von Grünbrücken stellt sich die Frage, wie eine Reduzierung der CO2-Emissionen in Planungsprozesse integriert werden kann. Hier ist mit dem Abschätzen der CO2-Emissionen in Anlehnung an die Methodik der Nutzen-Kosten-Bewertung im Bundesverkehrswegeplan 2030 nur ein erster Schritt getan. Folgen müssen verkehrsträgerübergreifende Ansätze, um unter anderem Verlagerungseffekte von der Straße auf die Schiene und im Modal Split generell umweltplanerisch abbilden und bewerten zu können.

Mit der Bahn klimaschonend in die Zukunft

Es muss nicht nur mehr Verkehr auf die Schiene verlagert, sondern zugleich die Klimafreundlichkeit der Schiene verbessert werden. Eine stärkere Elektrifizierung und der Einsatz erneuerbare Energien eröffnen den Weg zu einem klimaneutralen Schienenverkehr. Die Deutsche Bahn setzt dabei auf einen Mix von klassischer Oberleitung und – vor allem auf weniger befahrenen Nebenstrecken – innovativen Lösungen mit alternativ angetriebenen Schienenfahrzeugen wie Batterie- und Brennstoffzellenzüge. Im Rahmen von Generalplanungsaufträgen unterstützt Schüßler-Plan die DB Netz AG und andere Verkehrsunternehmen bundesweit in zahlreichen Projekten, um die gesetzten Projektziele zur Elektrifizierung des Schienennetzes in Deutschland zu erreichen. Dazu gehören beispielsweise die Ausbaustrecken Stade–Cuxhaven, Weimar–Gera–Gößnitz und Nürnberg–Marktredwitz sowie die Taunusbahn. Aktuell werden zudem auch die Bahnstrecken in der Eifel im Zuge des Wiederaufbaus aufgrund der Flutwasserkatastrophe modernisiert und elektrifiziert, unter anderem auch der Streckenabschnitt zwischen Hürth-Kalscheuren und Euskirchen. Neben der Ausstattung der Bestandsstrecke mit Oberleitungsmasten müssen alle baulichen Anlagen entlang des circa 30 Kilometer langen Abschnittes erneuert beziehungsweise ertüchtigt werden. 

Text / Andreas Winde, Helge Kramer, Thomas Bey
Foto und Visualisierung / Titelfoto: Bernd-Volker Brahms; Visualisierung: Schüßler-Plan