19

Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 19 | 2022 Under Construction

Reportage | BIM

Der Faktor BIM

Building Information Modeling hat sich in den letzten Jahren als zukunftsweisende Methode im Hoch- und Infrastrukturbau etabliert. Im Bereich der Bauausführung wirft die Implementierung jedoch auch Fragen auf: Wie definieren wir BIM in der Bauausführung? Können die Modelle im Rahmen der Ausschreibung Einzug in den Bauvertrag finden? Wie stellt sich in Zukunft die Zusammenarbeit zwischen Baufirma, Bauherr und Bauüberwachung sowie Bauoberleitung dar?

In verschiedenen Projekten zur Best-Practice sowie in Forschungsprojekten – unter anderem mit der Technischen Hochschule Köln – analysiert und bewertet Schüßler-Plan Vorteile und Herausforderungen bei der Anwendung von BIM. Im Brücken- und Ingenieurbau hat die BIM-Methodik den Status der Pilotierung verlassen und wird zunehmend auf Grundlage des Stufenplans beziehungsweise seit 2021 des Masterplans BIM in Projekten eingesetzt.

Die Rolle des bauherrnseitigen Baumanagements im BIM-Prozess entwickelt sich dabei zu einer Schlüsselfunktion zwischen Auftraggeber*in und Auftragnehmer*in, sodass zum Beispiel die BIM-Gesamtkoordination für ein Projekt in der Ausführungsphase hier angesiedelt werden kann. Als Gesamtkoordinator führt das Baumanagement die Fachmodelle aller Projektbeteiligten zusammen. Gleichzeitig wirkt es im Rahmen der Bauüberwachung und -oberleitung bei vielen BIM-Anwendungsfällen, wie der Baufortschrittskontrolle, dem Nachtrags- und Mängelmanagement, der Leistungsabrechnung und Abnahme sowie der Bauwerksdokumentation mit – siehe Grafik 1.

Controlling

Eine modellgestützte Leistungsmeldung ist ein zentraler Aspekt des Controllings und wird über eine Verknüpfung des Bauwerkinformationsmodells mit dem Leistungsverzeichnis über Schlüsselmerkmale, wie etwa Material oder Bauabschnitt, erzeugt.

Das BIM-Modell erfasst den Ist-Zustand anhand der Bauelemente und visualisiert diesen, um Informationen über die Teilleistungen schließlich auszuwerten. Zusammen mit dem bereits integrierten Soll-Zustand kann ein Abgleich auf Grundlage des Modells und des integrierten Leistungsverzeichnisses erfolgen. Dadurch können sehr einfach und schnell Differenzen in Form von Mehr- und Mindermengen dokumentiert und in den Modellobjekten oder Teilleistungen berücksichtigt werden.  Ein weiterer wesentlicher Mehrwert des Modells ist, dass dieses für das Änderungsmanagement und das Controlling der Abrechnung von Bauleistungen genutzt werden kann – siehe Grafik 2.

Torsten Höfig ist Abteilungsleiter im Baumanagement bei Schüßler-Plan. Dr. Markus Nöldgen ist Professor am Institut für Konstruktiven Ingenieurbau an der Technischen Hochschule Köln.
Effizientere Terminierung

Die Terminplanung, -fortschreibung und -überwachung gehört ebenso zu den Kernaufgaben des bauherrnseitigen Baumanagements. Eine wesentliche Herausforderung besteht in der Verknüpfung von teilweise unzähligen Terminvorgängen mit dem Modell. Dennoch können 4D-Modelle, die den Terminplan mit Modellobjekten verknüpfen, die Nachverfolgung von Verzögerungen und Störungen des Baufortschritts erheblich erleichtern.

Voraussetzung dafür ist eine an die Vorgänge angepasste Modellierung der Bauteile, sodass eindeutige Zuordnungen möglich sind. Wie bei der Leistungsmeldung können Gruppierungsvorgaben hier zu Vereinfachungen und Zeitersparnis führen. Insbesondere die Variante mit automatischen regelbasierten Verknüpfungen ermöglicht eine effiziente Bearbeitung, da Modelle hierbei im Falle von Änderungen einfach ausgetauscht und automatisch wieder verknüpft werden können.

Soll-Ist-Abgleich per Drohne

In Verbindung mit einer bauteilweisen Erfassung des Ist-Zustands kann ein permanenter Soll-Ist-Abgleich vorgehalten, ausgewertet und visualisiert werden. Dabei kann der Ist-Zustand entweder direkt vor Ort durch eine „händische“ Erfassung im Modell (Tablet-PC) oder aber teilautomatisiert mithilfe einer Überlagerung periodischer, wiederkehrender sogenannter photogrammetrischer Aufnahmen durchgeführt werden.

Das photogrammetrische Verfahren erfasst Einzelpunkte (Koordinate mit Farbwert) und kreiert eine dreidimensionale fotorealistische Oberfläche, eine Punktwolke. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz können in der Nachbereitung der Punktwolken Störobjekten, wie Baustellenfahrzeugen und Personen, problemlos entfernt werden.

Zudem werden durch die Überlagerung zeitlich aufeinander folgender Punktwolken automatische Differenzmessungen durchgeführt und im Modell eingesetzt. So kann beispielsweise automatisch ermittelt werden, wie viel Erde in einem bestimmten Gebiet abgetragen wurde.

Eine visuelle Integration dieser Punktwolken in eine föderierte Gesamtsicht mit dem Bauzustandsmodell (Soll-Zustand) ermöglicht durch die hohe Auflösung eine händische Zuweisung des Fertigstellungsgrades. Sie ist vergleichbar zur Vorgehensweise in situ und steht damit ohne weitere Aufbereitung als Alternative oder zusätzlicher Kontrollmöglichkeit zur Verfügung.

Chancen im Baumanagement

Der Einsatz von Drohnen ermöglicht eine noch stärker automatisierte Auswertung zur Abrechnung und Terminverfolgung und BIM bietet neben Herausforderungen auch viele neue Chancen im Baumanagement. Klassische Abrechnungsvorgänge werden teilweise durch programmgestützte ersetzt. Abrechnungen basieren jedoch zurzeit noch auf einer Verbindung von Feldaufmaß und Abrechnung nach Plan.

Im Termincontrolling bleiben komplexe Bauvorhaben mit unzähligen Vorgängen, mehreren Anwendern und diversen Schnittstellen eine Herausforderung. So ist der Einsatz von Bauüberwacher*innen zur Qualitätssicherung außerhalb der Modelle unerlässlich. In Kombination mit der BIM-Methodik werden die maßgeblichen Aufgaben „Einhaltung und Controlling von Kosten, Termin und Qualität“ jedoch sehr gut abgedeckt und effizienter gestaltet.

Der Einsatz von BIM-Modellen und Drohnen bietet uns wesentliche Vorteile im operativen Baumanagement, stellt uns allerdings auch immer wieder vor neue Herausforderungen.

Torsten Höfig, Schüßler-Plan

Text / Torsten Höfig und Dr. Markus Nöldgen