Magazin der Schüßler-Plan Gruppe
Ausgabe 20 | 2023 Gemeinsam
Ein verträgliches Miteinander von Mensch, Natur und gebauter Umwelt ist das Gebot der Stunde, die Reduktion des CO2-Ausstoßes dabei ein wesentlicher Faktor. Eine Stellschraube, das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, ist die Mobilitätswende. Damit diese gelingen kann, bedarf es nicht nur ambitionierter Ziele, sondern der Bereitschaft zu handeln. In Hamburg geschieht das unter anderem mit der Planung und dem Bau der neuen U-Bahnlinie U5.
Die U5 wird sich auf einer Strecke von 24 Kilometern über 23 Haltestellen von Ost nach West durch das gesamte Hamburger Stadtgebiet ziehen. Durch den führerlosen, vollautomatisierten Fahrbetrieb wird ein Takt von bis zu 90 Sekunden möglich. Was wie ein Jahrhundertprojekt für eine ferne Zukunft klingt, wird jedoch schon in absehbarer Zeit Wirklichkeit.
Denn nicht nur für den Betrieb, sondern auch für die Planungs- und Bauphase haben sich die Verantwortlichen das ehrgeizige Ziel gesetzt, die Errichtung von Verkehrsinfrastruktur neu zu denken und zukunftsorientierte Wege der Umsetzung einzuschlagen. Gemeinsam mit Nina Baden-Wassmann, Geschäftsführende Gesellschafterin bei Schüßler-Plan, und Nils Schluckebier, Leiter Digitalisierung & BIM bei Schüßler-Plan, trafen wir uns zu einem Vor-Ort-Termin im Hamburger Norden mit Klaus Uphoff, dem technischen Geschäftsführer der HOCHBAHN U5 Projekt GmbH, um uns ein Bild von den ersten Baumaßnahmen zu machen und über die qualitätvolle Zusammenarbeit zu sprechen.
„Das kompetente Auftraggeber-Team ist aus meiner Sicht schon etwas Besonderes und ein wesentlicher Erfolgsfaktor dieses Projekts“, sagt Nina Baden-Wassmann. „Der gesteckte Rahmen und die Disziplin, die hier an den Tag gelegt werden, sind bemerkenswert. Frühzeitig wurden alle Schnittstellen und Grundlagen abgeklopft und Verantwortlichkeiten festgelegt, sodass der erstellte Fahrplan nun eingehalten werden kann.“ Auch Klaus Uphoff blickt zurück und ergänzt: „Schon mit den ersten Machbarkeitsuntersuchungen wurde klar, dass eine eigene Struktur erforderlich sein würde, ein Bereich bei der HOCHBAHN, der sich nur mit der Planung der U5 beschäftigt. Denn Ziel ist es, am Ende eine vollständig inbetriebnahmefähige U-Bahn an die Stadt zu übergeben.“ Das ist ambitioniert und ein Projekt dieser Dimension selbst für die die HOCHBAHN Neuland. Es galt, eine umfangreiche Fachexpertise in der Planung und Ausführung aufzubauen und die dafür richtigen Partner*innen und Mitarbeiter*innen zu finden – insbesondere für die Generalplanungsleistungen der Leistungsphasen 1-4, aber auch für die Systemtechnik und die TGA-Leistungen. Über eine Ausschreibung kam die Ingenieurgemeinschaft U5 Mitte (IGU5M), bestehend aus Schüßler-Plan, ISP-Ziviltechniker und WTM Engineers, bereits mit der Machbarkeitsstudie für den 19 km langen Abschnitt Mitte in das Projekt.
Keine Scheu, unbekannte Wege einzuschlagen, zeichnet das Team auch in Hinblick auf die modellbasierte Planung aus. Denn Ziel ist es, nicht nur zu einer effizienteren und zielgerichteten Anwendung der BIM-Methodik in der Branche zu gelangen und die gemachten Erfahrungen erfolgreich auf zukünftige Projekte zu übertragen, sondern auch, aus dem digitalen Zwilling der U5 einen Mehrwert für die spätere Bewirtschaftung zu generieren – oder zumindest die Grundlagen dafür zu schaffen.
Während die Vorplanungsphase hybrid verlief, was parallele 2D-Planungen konventioneller Natur und solche am 3D-Bauwerksinformationsmodell mit sich brachte, entschied sich die HOCHBAHN mit der Entwurfsplanung für die ausschließliche und ganzheitliche Anwendung der BIM-Methode. Dass die interdisziplinäre, modellbasierte Umsetzung eines derart komplexen Infrastrukturprojekts wie der U5 realisierbar ist, haben die Ergebnisse der Vorplanung der IGU5M gezeigt. Allerdings herrschte im Projektteam auf Seiten der IGU5M und der HOCHBAHN ein sehr heterogener Wissensstand bei der Anwendung der BIM-Methode. Für den Entwurf bestand daher die größte Herausforderung im erforderlichen Change-Management. Alle Kolleg*innen mussten in die Lage versetzt werden, mit den Bauwerksinformationsmodellen effektiv und zielorientiert zu arbeiten.
„Vor dem Beginn der Entwurfsplanung haben wir in einer weitreichenden Test- und Implementierungsphase einen Modellprototypen erarbeitet, anhand dessen unter anderem die Projekt- und Modellstrukturen, Vorlagen für die Softwareanwendungen, der Datenaustausch (IFC), die Einrichtung der gemeinsamen Datenumgebungen (CDE), die Prozesse zur Koordination und Prüfung der Modelle sowie Standards für die modellbasierte Kommunikation (BCF) aufgestellt wurden“, sagt Nils Schluckebier. „In die Test- und Implementierungsphase waren alle Planer*innen der IGU5M und der HOCHBAHN involviert. So konnten wir auf allen Seiten ein gemeinsames Grundverständnis für die modellbasierte Umsetzung im Projekt schaffen und die erarbeiteten Standards erproben und optimieren. Anschließend haben wir das Know-how in mehreren projektspezifischen Methoden- und Softwareschulungen an über 60 Teilnehmer*innen weitervermittelt, sodass das gesamte Team zum eigentlichen Projektstart ‚BIM-Ready‘ war.“
Der Modellprototyp dient den Projektbeteiligten fortan als Referenzumgebung, um Zusammenhänge zu verstehen, Prozesse nachzuvollziehen und zu testen sowie Standards fortzuschreiben – ohne das laufende Projektgeschehen zu beeinflussen. Nina Baden-Wassmann ergänzt: „Ich möchte ungern behaupten, dass das Projekt nur mit BIM möglich ist, aber es gibt entscheidende Vorteile. Um diese voll ausschöpfen zu können, ist bereits in frühen Planungsphasen ein hoher Grad an Disziplin im gesamten Team gefordert. Standards müssen früh im Projekt definiert und anschließend konsequent eingehalten werden, um Potentiale zu heben und Abläufe bestmöglich zu automatisieren.“ An dieser Herausforderung ist das Team gewachsen und hat sich eine gute Basis für die weitere Planung und Umsetzung erarbeitet. „Auch wenn einige der Kolleg*innen zu Anfang skeptisch waren, bekomme ich inzwischen sehr positives Feedback“, freut sich auch Klaus Uphoff.
Bleibt die Frage, ob die Methode auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsstrategie, die sich die HOCHBAHN mit der U5 auf die Fahnen geschrieben hat, punktet? Klar ist, dass die Bauphase nicht CO2-neutral sein wird. Doch können die Informationen der Modelle helfen, im Rahmen von Ökobilanzierungen die größten CO2-Treiber zu ermitteln und auswertbar zu machen, um diese so gering wie möglich zu halten. Ergänzend helfen frühe Simulationen im Planungsverlauf dabei, Bauweisen und -werke zu hinterfragen, gegebenenfalls anzupassen und baulogistische Prozesse zu verschlanken. So trägt letztendlich nicht nur die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene zur Mobilitätswende bei, sondern auch der Weg dorthin. Durch die Auswahl der versierten Planungspartner*innen, der eingesetzten Produkte und qualifizierten Bauunternehmen werden die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt, um schneller ans Ziel zu kommen.
Schüßler-Plan ist in Ingenieurgemeinschaft mit ISP-Ziviltechniker und WTM Engineers (IGU5M) als Generalplaner für den Abschnitt U5 Mitte beauftragt. Die IGU5M besteht bereits seit der Machbarkeitsstudie 2016.