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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 20 | 2023 Gemeinsam

Artikel | Lean und agil

Lean & agil – ein neuer Ansatz?

Die Themen lean und agil sind aktuell in aller Munde. Auch die öffentliche Hand hat das Thema für sich entdeckt und macht es zunehmend zum Gegenstand von Projekten. Gut so, sagen wir!

Transparenz, Vertrauen, Kommunikation, Zusammenarbeit und Kooperation als Grundsatz des eigenen Handelns sehen. Kundenorientierung mit dem Fokus auf die Erfüllung der Bedürfnisse und Anforderungen des Projektes. Nicht in „Silos“ denken und handeln, sondern die Notwendigkeit der Zusammenarbeit als Weg zum Ziel verstehen. Schlanke und effiziente Prozesse durch Reduktion von Verschwendungen und ständige Optimierungen. Kontinuierliche Verbesserung der eigenen Leistungen und stetige Weiterentwicklung der Mitarbeitenden. Visuelle Steuerung von Abläufen durch geeignete Werkzeuge zur Verdeutlichung der Zusammenhänge.

Das alles und noch viel mehr sind Grundgedanken des Lean-Managements und der agilen Arbeitsmethoden. Ist das neu? Wir meinen NEIN.

Vielmehr sollte sich jeder fragen: Wie soll es denn anders gehen können? Dies gilt insbesondere, wenn wir den Blick in Richtung innovativer Vertragsmodelle wie der integrierten Projektabwicklung (IPA) und Planungsmethoden wie Building Information Modeling (BIM) lenken. 

BIM = lean und agil?

Immer mehr Bauprojekte werden mit der BIM-Methodik umgesetzt. Betrachtet man deren Grundsätze und Prinzipien, wird schnell ersichtlich, dass der Fokus einer kooperativen Zusammenarbeit, kollaborativen Arbeitsumgebung sowie einer effizienten und digitalen Projektbearbeitung sich mit der Philosophie des Planen und Bauen unter den Gesichtspunkten von lean und agil deckt. Nachhaltige Wertschöpfung kann nur dann gelingen, wenn ein gemeinsames Verständnis der Zusammenarbeit gelebt wird. Wir sehen die Integration der neuen Werkzeuge im BIM-Projekt als eine naheliegende und leistungsstarke Kombination. „Lean“ gibt den Rahmen für eine effiziente, zielgerichtete Projektabwicklung; ergänzend hierzu setzt „agil“ einen Rahmen für Flexibilität und ein kollaboratives Vorgehen.

Projekt l Neues ICE Werk Cottbus
Alle ziehen an einem Strang

Für uns im Baumanagement fördert IPA durch die frühe Einbindung aller an der Planung und Realisierung Beteiligten und die konsequente Anwendung von prozess- und produktorientiertem Management eine kontinuierliche Optimierung der Planungs-, Bau- und Genehmigungsprozesse. Das erfordert Disziplin und Energie, schärft aber zugleich das Verständnis für die Perspektive der anderen Projektbeteiligten.

Peter Härtel, Teamleitung Baumanagement, Schüßler-Plan

Projekt l ABS Gäubahn, Abschnitt Nord
„Best for project“ geht nur kollaborativ und agil

Ein gemeinsames Risiko- und Entscheidungsmanagement sowie ein Vergütungsmodell, das auf den Projekterfolg ausgerichtet ist und alle Vertragsparteien gleichermaßen einbezieht, verändern die Projektkultur – im positiven Sinne. In unserem Projekt arbeitet das Team zudem in einem Big Room zusammen und nutzt Lean-Methoden (Lean Design und Lean Construction) sowohl im integralen Planungsprozess als auch in der späteren Bauausführungsphase. 

Sarah Weiler, Projektmanagement, Schüßler-Plan

Unsere DNA

Bei Schüßler-Plan arbeiten wir seit jeher nach diesen Grundsätzen und sind davon überzeugt, dass uns genau dieses Mindset in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich gemacht und maßgeblich zu langfristigen Kundenbeziehungen geführt hat. So ist es nur folgerichtig, dass Schüßler-Plan die Pilotprojekte der Deutschen Bahn mit Allianzverträgen nach dem „Partnerschaftsmodell Schiene“, wie das „Neue ICE Werk Cottbus“ und die „Gäubahn“, mit Leistungen des Projekt- und Baumanagements begleitet und einen Beitrag zur gemeinsamen Wertschöpfung leistet.

Wir freuen uns sehr darüber, dass viele unserer Kund*innen den Mehrwert dieser Methodik erkannt haben und Partnerschaften fordern und fördern. Wie könnten wir da nicht mitmachen oder uns diesen Ansätzen verwehren, wenn der Auftraggeber nicht mehr nur nach dem Preis auswählt, sondern Qualifikationen und Fähigkeiten gleichrangig bewertet und nach einer fairen und gemeinsamen Wertschöpfung strebt?

Auch wenn in einem Projekt die Prinzipien der Allianz nicht im Vordergrund stehen, richten wir unsere Leistungserbringung stets nach den Prinzipien von lean und agil aus. 

Eine neue Sprache?

Die partnerschaftliche, kollaborative und kooperative Zusammenarbeit gelingt mit geeigneten Werkzeugen besser. Die Bezeichnungen für diese Werkzeuge lassen aufhorchen: Last-Planner-System®, Scrum, Kanban, integrierte Projektabwicklung, Gemba, Big Room, Pull-Prinzip – um nur einige zu nennen. Wer sich mit den Lean- und Agil-Methoden beschäftigt, stellt fest, dass viele der genannten Werkzeuge nicht neu sind beziehungsweise sie unter einem anderen Namen bereits bekannt sind und angewendet werden. So bezeichnet Big Room das gemeinsame Projektbüro, Scrum eine agile Arbeitsmethode, um sich regelmäßig über aktuelle Herausforderungen auszutauschen und das Last-Planner-System® eine gemeinsame Ablaufplanung, die unter Beteiligung aller Parteien erstellt und kontinuierlich diskutiert wird.

Sie stellen also fest, dass Ihnen diese Werkzeuge geläufig sind und Sie diese vielleicht sogar regelmäßig anwenden. Daher kein Grund zur Beunruhigung, vielmehr eine Erkenntnis, die dazu anregen soll, sich mit den Methoden und Werkzeugen zu beschäftigen. Sind die Begrifflichkeiten erst einmal verinnerlicht, lässt sich gut einschätzen, warum eine angewandte Methode gut funktioniert und wann welches Werkzeug geeignet ist. Dabei ist jedes Projekt einzigartig und muss individuell betrachtet werden. Entsprechend darf  die effiziente Abwicklung des Projektes nie durch eine strikte Methodik ersetzt werden. Vielmehr müssen die Werkzeuge, die einen tatsächlichen Mehrwert im Projekt bieten, flexibel zum Einsatz kommen. 

Projekt l Brenner-Nordzulauf
Nach anfänglicher Skepsis sind wir vollauf begeistert

Dailys und Phasenplanung, dafür keine Protokollführung während der Planungsbesprechung – das klang zunächst nach Mehrarbeit und Kontrollverlust. Aber schon nach kurzer Zeit sehen wir am Planungsfortschritt, wie effektiv agile und leane Planungsmethoden sind. Dank des ständigen Austauschs mit allen Beteiligten geht nichts verloren und jeder weiß, welche Aufgabe als nächstes zu erledigen ist.

Piotr Fratczak, Scrum-Master, Ingenieurbau, Schüßler-Plan

Projekt l Regionaltangente West
Offene Diskussionen und ein gemeinsames Ziel

Durch das Lean-Site-Management-Konzept (LSM) kommen wir in regelmäßigen Abständen in unterschiedlichen Konstellationen zusammen, um Prozesse sowie unsere Baustellenplanung und -organisation stetig zu optimieren. Dabei wird sowohl der Einsatz von Material und Zeit als auch von Arbeitskräften berücksichtigt. So gelingt es, durch transparente und kontinuierliche Kommunikation, Verzögerungen oder Kollisionen/Engpässe rechtzeitig zu identifizieren und entsprechend gegenzusteuern. 

Jens-Oliver Görten, Leitender BÜB, Baumanagement,
Schüßler-Plan

Geschult – wie wir das Thema angehen

Wir alle sollten uns durch die teilweise festzustellende Ideologisierung der Lean- und Agil-Methoden und den vielen neuen Begriffen nicht von dem eigentlichen Mehrwert ablenken lassen, sondern die eigene Werkzeugkiste aufrüsten und stetig nachjustieren.

Schüßler-Plan geht diesen Weg weiter, denn die Grundzüge des Prinzips liegen in unserer DNA und wir sind vom Erfolg überzeugt. Aus diesem Grund bieten wir seit einiger Zeit Weiterbildungen für unsere Mitarbeiter*innen an, die sie zu zertifizierten Lean-Manager*innen und Scrum-Master*innen ausbilden. Mittlerweile haben über 40 Kolleg*innen diese Ausbildung abgeschlossen und beherrschen die neue Sprache fließend. Bei den entsprechenden Fortbildungen liegt ein besonderes Augenmerk darauf, dass sie nah an den Leistungsbildern und den Projekten ausgerichtet sind.  So lässt sich eine größtmögliche Praxisnähe gewährleisten und in den Projektalltag integrieren. 

Text / Marcus Geipel, Peter Meinke und Alina Seidler
Portraitfotos / Schüßler-Plan