Magazin der Schüßler-Plan Gruppe
Ausgabe 23 | 2024 Mut
Die Brücke „Sprung über die Emscher“ wird zum Symbol eines krönenden Abschlusses des Generationenprojektes zum Umbau der Emscher. An historischer Stätte, am Wasserkreuz Rhein-Herne-Kanal / Emscher, ist ein besonderes Brückenbauwerk entstanden, welches in der Region ein Wahrzeichen werden kann und auch überregional dem Ort Beachtung und Bedeutung verleiht.
Von 1992 bis 2021 setzte die Emschergenossenschaft das Generationenprojekt Emscher-Umbau um. Der Brückenneubau „Sprung über die Emscher“ ist ein bedeutender Bestandteil des umfassenden
wasserwirtschaftlichen Großprojekts und Symbol für einen sicht- und erlebbaren Strukturwandel: Die Brücke bildet eine neue Verbindung zwischen dem urbanen Raum der Städte Castrop- Rauxel und Recklinghausen und dem angrenzenden, landschaftlich geprägten Emschertal.
Projektdaten
Standort
Castrop-Rauxel
Auftraggeber
Emschergenossenschaft Essen
Architektur
DKFS Architects
Technische Daten
Stahlbrücke mit L-Kastenquerschnitt und zwei Stufenanlagen
Länge: 411,5 m
Max. Stützweite: 108 m
Breite: 2,5 m
Leistungen Schüßler-Plan
Objekt- und Tragwerksplanung
Objekt- und Tragwerksplanung
(Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen)
Nachhaltiges Bauen
Lebenskostenzyklusermittlung/
Wirtschaftlichkeitsberechnungen
Projektmanagement
Projektleitung
Kosten- und Terminmanagement
Vergabemanagement
Baumanagement
Bauoberleitung
Bau- und Objektüberwachung
Vertrags-, Nachtrags- und
Qualitätswesen
Baulogistik
Bauablaufplanung
Terminplanung
Herstellkonzepte
Baustelleneinrichtung und Flächenmanagement
Ver- und Entsorgung
Sicherheitskonzepte
Geotechnik
Spezialtiefbau
Baugrundbeurteilung und
Gründungsberatung
Bodenmechanik, Erd- und
Grundbau
Baugrunduntersuchungen
Erdbautechnische Kontrollprüfungen
Der Name ist Programm
Das Bauwerk überspannt in eleganter, geschwungener Form sowohl die Emscher als auch den Rhein-Herne-Kanal und beeindruckt durch eine auffallend schlanke Silhouette. Die planerische Umsetzung der Geometrie sowie die statischen und dynamischen Berechnungen stellten hohe Anforderungen an die beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure. Mit einer Gesamtlänge von 411,5 Metern besteht das semiintegrale, mehrfach gekrümmte Bauwerk aus sieben Feldern. Die stählerne Konstruktion passt sich den statischen Erfordernissen an, folgt mit variierenden Bauhöhen dem Kräfteverlauf und überbrückt scheinbar mühelos Spannweiten von bis zu 108 Metern.
Ein Stahltragwerk mit Zügelgurtkonstruktion und Stufenanlagen
Die Brücke ist eine Ganzstahlkonstruktion aus rund 900 Tonnen Stahl der Güte S460. Der Überbau besteht aus einem luftdicht verschweißten Stahlhohlkasten mit einem asymmetrischen, L-förmigen Querschnitt. Das vertikale Tragglied, dessen Höhe variiert, ist am Außenradius angeordnet und trägt hauptsächlich die Biegemomente. Der horizontale Schenkel mit einer Breite von 2,50 Metern bildet das Deck der Geh- und Radwegebrücke und steift den vertikalen Kasten aus, indem er auch die Torsionskräfte ableitet.
Der S-förmige Verlauf der Brücke, kombiniert mit der variierenden Bauhöhe des Kastenträgers, schafft ein dynamisches Tragsystem. Der Brückenquerschnitt bleibt lediglich in den Transformationsbereichen symmetrisch, während er ansonsten über die Länge varriiert. Um die weitspannende Konstruktion zur Querung des Rhein-Herne-Kanals zu ermöglichen, wird der Träger zusätzlich durch eine Zügelgurtkonstruktion unterstützt, die an einem markanten, schrägen Pylonen verankert ist. Trotz des strömungsgünstig geformten Überbaus neigt die Konstruktion zu fußgänger- und windinduzierten Schwingungen und erfordert daher die Konstruktion von Feder-Masse-Dämpfern, die unsichtbar im Inneren der Hohlkästen untergebracht sind.
Östlich des Brückenbauwerks liegt der „Platz der Schichten“, der als Auftakt und Zugang zur Brücke dient. Auf der gegenüberliegenden Seite erstreckt sich der „Brückenvorplatz West“ zwischen dem westlichen Brückenabgang und dem Natur- und Wasser-Erlebnispark. Diese beiden Plätze umrahmen die Brücke und schaffen einen harmonischen Gesamteindruck. Die Anbindung der Brücke an die West- und Ostseite erfolgt über Rampenkonstruktionen, die teils als geböschte und teils als mit einer Stahlbetonstützwand gesicherte Erdbaukörper ausgeführt sind. Beidseitige Treppenanlagen aus Stahl mit Sitzgelegenheiten erhöhen die Aufenthaltsqualität und bieten besondere Erlebnisse am Wasserkreuz.
Von den ersten Bleistiftskizzen bis zum nun fertigen Bauwerk war ich in allen Phasen des Projekts beteiligt. Es gab einige Herausforderungen, sowohl in der Planungs- als auch Ausführungsphase, die im Rückblick sehr herausfordernd, aber auch lehrreich waren.
Mehr als eine Landmarke
Die regionalen Radwege Emscher Park Radweg und Emscher-Weg führen nun über den Fluss und verbessern die Erreichbarkeit und Vernetzung der Region. Die Brücke selbst wird zu einer neuen Landmarke mit beeindruckenden Aussichten aus verschiedenen Perspektiven. Von der Brücke aus sind das historische Wasserkreuz, die „Alte Fahrt“ (Wartburginsel), das Kanalschwimmbecken und die neu geschaffenen Emscher-Terrassen erfahrbar. Diese Aussicht ermöglicht es, die räumlichen und zeitlichen Zusammenhänge der umgebenden Kulturlandschaft zu erkunden.
Durch den immer stärker werdenden Freizeitverkehr am Wasserkreuz führt die neue Wegeverbindung zu einer erheblichen Aufwertung der Region. Zusätzlich ergeben sich beim Überqueren der Brücke durch ihre spezielle Bauweise immer neue Perspektiven auf die Emschertal-Landschaft. So ist an einem außergewöhnlichen Ort mit dem „Sprung über die Emscher“ ein neues Wahrzeichen, ein Treffpunkt und eine Schnittstelle entstanden.
Der Sprung über die Emscher ist der Beweis, dass Architekten und Ingenieure gemeinsam Einzigartiges erschaffen und somit die Umwelt nachhaltig und positiv gestalten können. Die Form der Brücke spiegelt den Kraftfluss wider und stellt eine unverwechselbare Symbiose zwischen Gestaltung und Statik dar.