Magazin der Schüßler-Plan Gruppe
Ausgabe 24 | 2025 Transformation
Bauen und Planen ist immer Teamarbeit. Wenn sich das Team gut versteht und alle dasselbe Projektverständnis haben, dann hat das Projekt auch Erfolg.
Durch die Zusammenarbeit mit dem interdisziplinären Projektteam und die Nutzung der BIM-Methode können wir frühzeitig mögliche Planungsmängel identifizieren und somit Fehlerquellen in der Ausführung reduzieren.
Halle 70: 200 Meter lang, 15 Meter hoch, noch leer: Wir stehen auf dem ehemaligen Industriegelände in Köln-Kalk, wo nach Jahren des Stillstands ein Kulturareal zum Entdecken und Mitgestalten entsteht. „Die Halle hat unglaubliche Qualitäten und in ihrem Industriecharakter etwas fast Sakrales“, meint die Projektleiterin des Bauherrn, Yordanos Asghedom, vom Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD). „Das Schöne an dem Ganzen ist aber insbesondere das Hallentragwerk mit seiner Filigranität“, fügt die Projektsteuerin von Schüßler-Plan, Anne Menne, hinzu. Das Museum wird das einzige im rechtsrheinischen Köln sein. 200.000 Besucher*innen pro Jahr werden erwartet. 10.000 Quadratmeter hat die Halle, davon sind 4.000 Quadratmeter für Ausstellungen und Veranstaltungen geplant, dazu kommen Büro- und Lagerflächen. Der Rest: Experimentierfeld für alle.
Migrationsgeschichten
Das Migrationsmuseum geht zurück auf eine Initiative von Migrant*innen, die nach dem Militärputsch 1980 aus der Intelligenzija der Türkei nach Deutschland kamen. Sie nahmen wahr, dass die lange, reiche Geschichte von Einwanderung in Deutschland nirgendwo erzählt oder festgehalten ist, und wollten das ändern. Sie forderten ein Museum und gründeten 1990 den Verein, der heute DOMiD heißt. Der Verein fing an, eine Sammlung aus Erinnerungsstücken und Alltagsobjekten der Einwanderungsgeschichte aufzubauen.
In den 2010er-Jahren gab es einen Professionalisierungsschub: Das Land NRW hatte DOMiD mittlerweile institutionell gefördert und der Integrationsrat der Stadt Köln regte an, das Museumsprojekt in Köln zu verwirklichen. Als Standort wurden die „Hallen Kalk“ im stark von Migration geprägten Stadtteil Kalk gefunden – eine „Win-win-Situation“ für Museum und Stadt. Die Halle spielt durchaus auch eine Rolle in der Migrationsgeschichte: „Ganz viele Migrant*innen haben damals für die Deutz-Werke gearbeitet, unter anderem in dieser Halle. Das passt thematisch perfekt“, erklärt Yordanos Asghedom.
Welche Migrationsformen soll das Museum darstellen? „Sämtliche!“ erzählt der Kommunikationsleiter von DOMiD, Timo Glatz. „Nicht nur die Arbeitsmigration, sondern jegliches Motiv, nach Deutschland zu kommen. Neben den häufig im Fokus stehenden, wie Flucht oder sogenannte Gastarbeit, also Arbeitsmigration, wenden wir uns zum Beispiel auch Menschen zu, die sich verliebt haben und zu ihrem Partner ziehen oder ein Studium aufnehmen. Auch solche Geschichten wollen wir erzählen und so die Geschichtsschreibung vielfältiger machen.“ Jede Sammlung hat Lücken. Das DOMiD hofft aber, davon einige schließen zu können. Beispielsweise hat das Team festgestellt, dass bisher heteronormativ gesammelt wurde, weshalb eine Ausstellung gemeinsam mit der migrantischen LGBTIQ+-Community entwickelt wurde. Dadurch hat das Haus eine weitere Möglichkeit, sich zu öffnen und letztendlich attraktiver zu werden.
Wenn wir Migrationsgesellschaft sagen, meinen wir nicht nur die Migrant*innen, sondern die gesamte Gesellschaft. Migration ist eine Lebensader unserer Gesellschaft.
Viel mehr als Ausstellung
Leitmotiv des Museums ist Partizipation. Das heißt, das Museum wird von, mit und für die Migrationsgesellschaft gebaut. So ist ein flexibles Ausstellungskonzept vorgesehen, die Ausstellung soll ständig partizipativ und diskursiv verjüngt werden. Dies soll Anreize zum Wiederkommen bieten.
„Das Ziel ist nicht, dass Besucher*innen nur einmal kommen und dann nicht wieder“, sagt Anne Menne. „Sondern das Museum soll Teil eines neuen, interessanten Quartiers werden, viel mehr als ein reiner Ausstellungsort. Menschen sollen selbst erkunden, denken, hier könnten sie auch etwas machen, dort ist auch noch etwas los.“ Das Leuchtturmprojekt soll somit mehr als ein klassisches Museum sein – es wird „ein Museum neuen Typs.“
Selma heißt das Museum, weil es weiblich, international, referenzreich und einzigartig ist. Das Haus wird verschiedene Funktionen unter einem Dach vereinen. Es wird also nicht nur ein Ausstellungshaus, sondern bietet auch Veranstaltungen und Begegnungen einen Rahmen. „Unsere Vision ist eine andere Form von Wissensvermittlung mit einer Vielfältigkeit an Nutzungseinheiten und barrierearme Zugänglichkeit für die Stadtbevölkerung. Deswegen soll sich das Museum und das Kulturareal zum Stadtteil öffnen“, erzählt Yordanos Asghedom. Timo Glatz ergänzt: „Für uns ist wichtig, dass das Museum nicht als einzelnes, insuläres Raumschiff hier landet, sondern dass wir ein Kulturareal schaffen, das Leute von der Kalker-Hauptstraße anzieht.“
Zugänglich
Für die Generalplanung des Bauvorhabens wurde ein EU-weites VGV-Verfahren mit der Einreichung von Ideenstudien durchgeführt. Die Entwurfsidee vom Büro Atelier Brückner wurde im April 2025 vorgestellt. Der Industriecharakter soll erhalten und die Bestandshalle erlebbar bleiben. Das neue Museum wird in der sanierten Halle als „Haus in Haus“ eingestellt und unterstreicht den nachhaltigen Architekturansatz. Die Halle 70 hat aktuell noch an drei Seiten Anbauten, von denen sie durch Abbrüche und Abrücken freigestellt wird, damit sie prägnant als Solitär für die Besucher und dem Quartier sichtbar wird. Ihre Schwester-Halle, die Halle 71, soll in Teilen zurückgebaut werden. Das Dach wird entfernt und es werden große Wandöffnungen geschaffen. Die vorhandene Stahlskelettkonstruktion bleibt erhalten und es entsteht eine Freilufthalle mit viel Grün. DOMiD wird den Teilabriss der Halle 71 übernehmen, die weitere Planung führt die Stadt Köln aus.
Mit dem Museum und dem angrenzenden Osthof, der von teils genutzten, teils leerstehenden Industriehallen eingerahmt ist, fällt der Startschuss für die Erschließung und Transformation des gesamten Gebiets. „Die Halle 70 wird somit zukünftig die Transformation für alle sichtbar machen – ihr alter Charme und Charakter bleibt, macht die Industriegeschichte erlebbar und im Innern zeigt sich zugleich eine neue Architektur mit vielfältigen Nutzungen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeit sowie der Umsetzung aktueller Anforderungen. So ein großes Transformationsprojekt ist auch für mich als erfahrene Projektsteuerin etwas Besonderes“, sagt Anne Menne.
BIM ist als Methode weder per se gut noch schlecht. Der tatsächliche Erfolg hängt maßgeblich davon ab, wie BIM implementiert und in den Arbeitsprozessen umgesetzt wird. Richtig angewendet bietet es zahlreiche Vorteile für Auftraggeber und -nehmer.
BIM für ein vernetztes Miteinander
Um die Projektziele zu erreichen und die Projektabwicklung so effizient wie möglich zu gestalten, kommt die BIM-Methode zum Einsatz. In enger Zusammenarbeit mit der Schüßler-Plan Projektsteuerung und dem BIM-Management der Schüßler-Plan Digital hat der Auftraggeber projektspezifische BIM-Ziele und Anwendungsfälle festgelegt. Bereits beim Aufmaß der Halle zeigt sich, BIM beginnt nicht erst mit der Planungsphase. Ein Vermessungsbüro erfasste die Halle digital und erstellte auf Basis einer Punktwolke ein Bauwerksdatenmodell des Bestands. Dieses Modell diente im Vergabeverfahren als zentrale Grundlage – Bewerber*innen nutzten es, um ihre Planungen und Visualisierungen darauf aufzubauen.
BIM-Manager von Schüßler-Plan Digital, Nick Westendorf, erläutert, welchen Mehrwert BIM bietet. Die Methode unterstützt die Bauplanung, indem es Geometrie mit Informationen verknüpft. Im Gegensatz zu herkömmlichem CAD entsteht eine zentrale Datenquelle, eine Single Source of Truth, aus dem Pläne, Listen und Berechnungen abgeleitet werden. Planer*innen arbeiten mit vernetzten Teilmodellen, um miteinander zu kommunizieren. Dabei helfen automatisierte Prüfungen, Kollisionen wie ungünstig platzierte Lüftungskanäle, die in Unterzüge ragen, regelbasiert zu erfassen. „Hauptvorteile für Auftraggeber sind Planungssicherheit und die damit verbundene Kostensicherheit. Hauptvorteil für Auftragnehmer ist die transparente Kommunikation und das vernetzte Miteinander über die Modelle“, erklärt Westendorf. Aufgaben weisen einen Modellbezug auf und werden über digitale Systeme verwaltet. So entsteht eine effiziente und kollaborative Arbeitsweise, die nicht nur Zeit spart, sondern auch die Qualität und Nachvollziehbarkeit der Projektergebnisse nachhaltig verbessert.
Teamgedanke
Der nächste Schritt ist nun, das Generalplaner-Team gemeinsam zu leiten und die Erarbeitung der Planung in den Fokus zu nehmen, denn der nächste große Meilenstein ist der Dezember 2025: Bis Ende des Jahres soll die Entwurfsplanung inklusive Kostenberechnung abgeschlossen sein. Das ist ein sportlicher Terminplan. Aber „mit einem guten Team bekommt man das hin – und das gute Team sitzt hier schon“, sagt Yordanos Asghedom. „Wir arbeiten auf Augenhöhe und sehr vertrauensvoll zusammen: absolut Teamgedanke.“
„Wir führen eine wertschätzende Kommunikation“, ergänzt Nick Westendorf. Es geht nicht darum, auf seine Meinung zu beharren, sondern immer die anderen zu verstehen, was sie vorhaben, ob es sinnvoll für das Projekt ist.“ Das heißt, es wird immer nach links und rechts geschaut, geprüft, was das Projekt hergibt, was es für Stärken, Schwächen und Besonderheiten aufweist, statt nur einen Leitfaden abzulaufen. Auch die Schnittstellenprojekte – Abrisse, Teilabrisse oder Entfernen von Gebäudeteilen – fordern Flexibilität und Zusammenarbeit. „Von daher ist ein Dienst nach Vorschrift gar nicht möglich“, rundet Yordanos Asghedom ab. „Wir müssen in alle Richtungen denken und mit einer gewissen Vogelperspektive auf das Areal blicken. Das ist nicht nur unser Projekt, sondern es müssen auch zahlreiche Stakeholder und Nachbarn berücksichtigt und eingebunden werden. Im gesamten Umfeld des Industrieareals ist etwas in Bewegung geraten. Es ist aufregend, Motor dieser Entwicklung zu sein.“