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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 24 | 2025 Transformation

Artikel | Wandel und Wirksamkeit

12 Bausteine für den Wandel

Die Welt ist im Wandel, und auch an uns pirscht sich die Veränderung heran. Was tun? Maike Sippel, Professorin für Nachhaltigkeit und Transformation, gibt uns eine Anleitung für Kopf, Herz und Hand. Im Herbst erscheint dazu im Herder-Verlag ihr Buch „Die Welt, der Wandel und ich“.

Als Forscherin interessiert mich die Frage, wie der Wandel gelingen kann. Wie können wir die Klimakrise meistern und eine lebenswerte Zukunft sichern? Wie können wir zu einer sozial gerechten Entwicklung aufbrechen, die die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde respektiert? Sicher, diese große Transformation braucht veränderte Strukturen. Aber sie braucht auch Menschen wie Sie und mich, die jetzt anpacken und ihren Teil dazu beitragen, dass Änderungen wahrscheinlicher werden.

Als Hochschullehrerin beschäftigt mich die Frage, wie ich meine Studierenden darauf vorbereiten kann, diese Transformation mitzugestalten. Was braucht man als Rüstzeug für diese Aufgabe? Anfangs habe ich rein auf Faktenwissen gesetzt: Erderwärmung als Sicherheits-, Wohlstands- und Freiheitsrisiko, erneuerbare Energien und Lebensstilveränderungen als Teile der Lösung. Dann habe ich realisiert: Ebenso wichtig ist das Mindset, also unsere Denkweise und Haltung. Transformationskompetenzen umfassen Kopf, Herz und Hand.

Die folgenden zwölf Gedanken greifen diese Thematik auf. Vielleicht können sie auch Ihnen helfen, Wandel zu gestalten und in diesen Zeiten stimmig zu leben.

Wir sind Teil der Welt
Wir sind als Menschen ein Mosaikstein innerhalb des Lebens, das sich bis heute auf der Erde entfaltet hat. Und mit diesem Leben um uns herum sind wir aufs Engste verbunden, ja von ihm abhängig. Zur Eingebundenheit in die Welt gehört auch die zeitliche Dimension: Wir sind eine Art Bindeglied zwischen den Generationen vor und nach uns. Welche Verantwortung ergibt sich daraus für die Auswirkungen unseres Handelns?!

Dankbar sein
Haben Sie sich schon mal durch den Kopf gehen lassen, was es für ein Wunder ist, dass die Dinge in der Erd- und Menschheitsgeschichte gerade so gelaufen sind, dass es Sie und mich gibt? Wie wäre es, dies sacken zu lassen und inmitten der ganzen Alltagsbaustellen Platz zu schaffen, um für das Wunder des Lebens dankbar zu sein? Im Hinblick auf die Aufgaben, die vor uns liegen, kann eine Besinnung darauf, was wir lieben, eine Art Sprungfeder für unser Engagement bilden. Es führt uns vor Augen, warum es sich lohnt, jetzt aktiv zu werden.

Gefühle zulassen
Wenn wir uns bewusster sind, was in der Welt so wunderbar ist, dann sind wir auch empfindsamer für das, was auf dem Spiel steht. Täglich erfahren wir von Überflutungen und Bränden. Was macht das mit uns? Und wohin geht überhaupt die Reise? Mit solchen Überlegungen und Gefühlen sind wir nicht alleine. Sich dazu mit vertrauten Freunden auszutauschen hilft. Ist diesen Gefühlen mehr Raum zu geben der Schlüssel für das Aufhören der Verdrängung von unbequemen Wahrheiten der ökologischen Menschheitskrise?

Werte zur Grundlage des Handelns machen
Ihre wichtigste Entscheidung ist, wofür Sie Ihre Lebenszeit einsetzen. Wofür möchte ich einmal gestanden haben, was will ich meiner Enkelin einmal über mein Handeln in dieser wichtigen Zeit erzählen können? Und was heißt das für mein Handeln? Es ist ein menschliches Bedürfnis, Werte und Handeln in Einklang zu bringen. Dazu können wir an zwei Stellschrauben drehen: an unserem Verhalten oder an unseren Einstellungen. Im Privaten und im Arbeitsalltag blenden wir häufig Dinge aus, um liebgewonnene Routinen beibehalten zu können – unser gewohntes Handeln hat Beharrungskraft. Aber es fällt immer schwerer, die Augen vor den rasanten Veränderungen und wichtigen Zukunftsaufgaben zu verschließen. Meine Erfahrung: Es liegt Kraft darin, nicht mehr wegzuschauen und meine Prioritäten an meinen Werten auszurichten.

Ein Bild von der Zukunft machen
Anstatt in einen reinen Abwehrkampf gegen die menschheitsbedrohende Klima- und Umweltkrise zu gehen, lassen Sie uns einen hoffnungsfrohen Blick in die Zukunft wagen und mutig überlegen, wo wir hinwollen. Was ist die schönste Vorstellung von einer Zukunft, in der wir den Wandel geschafft haben? In der Stadt zum Beispiel: mehr Grün und Menschen im Straßenraum, gemütliche Plus-Energie- Häuser, Vögel und Fahrräder, weniger Lärm und Abgase. Indem wir unsere „Welt neu denken“, wie die Transformationsforscherin Maja Göpel es nennt, setzen wir der Alternativlosigkeit des Krisen- und Gewohnheitsmodus ein Ende.

Wandel ist möglich
Wie kann eine tiefgreifende technologische und gesellschaftliche Veränderung, wie sie jetzt erforderlich ist, gelingen? Pioniere des Wandels – Menschen, Organisationen, Unternehmen – laufen einfach los. Sie machen Lust auf Zukunft, zeigen, was möglich ist an klimafreundlichen Planungen, Produktionsweisen und Lebensstilen, entwickeln neue Lösungen und setzen sie um. Damit diese Innovationen nicht in der Nische bleiben, sondern sich ausbreiten und zur neuen Normalität werden, braucht es Unterstützung in Form geeigneter Rahmenbedingungen – eine sozial gerechte und ambitionierte Klimapolitik. Sie gibt klar die Richtung für den raschen Aufbau einer Infrastruktur erneuerbarer Energien vor und macht Klimaschutz für alle einfacher.

Der Handabdruck zählt
Der Fußabdruck stellt den durch den eigenen Lebensstil verursachten Ausstoß an Klimagasen dar. Der Handabdruck ist eine Einladung, sichselbst nicht nur als Konsument*in, sondern auch als engagierte*n Bürger*in zu sehen. So können Innovationen entstehen. Ob im Job, im Verein, in der Gemeinde, in einer Initiative – wo kann ich selber auf Entscheidungsprozesse Einfluss nehmen? Und wie können wir dort die strukturellen Weichen für den Wandel stellen? Das kann mein Beitrag zur Klimastrategie meines Unternehmens sein, unser Impuls für ein leckeres und zukunftsfähiges Essensangebot in der Mensa oder das Anstoßen einer Optimierung des Radwegenetzes in meinem Wohnort. Der Schlüssel liegt darin, doppelstrategisch im Fußabdruck und im Handabdruck vorzugehen. Also zum einen vor der eigenen Tür kehren, mit Mut zur Lücke. Dabei hilft ein Fokus auf die großen Stellschrauben, sich nicht auf Nebenschauplätzen wie der Diskussion um die eingeschweißte Biogurke oder das verwendete Druckerpapier zu verlieren. Und zum anderen mit dem Handabdruck einen Beitrag für klimafreundlichere Strukturen zu leisten. Handabdruckhandeln entlastet davon, alles richtig machen zu müssen.

Die eigene Rolle finden und sich mit anderen zusammentun
Was kann meine und unsere Rolle in diesem Wandel sein? Zwei Fragen helfen das zu klären. Erstens: Was können wir besonders gut? Zweitens: Welche konkrete Transformationsbaustelle weckt unsere Leidenschaft? Aus der Reihe wichtiger, zu lösender Aufgaben – was lässt unser Herz höherschlagen? Und: Um wirksam zu handeln, sind wir gemeinsam stärker.

Sich mit guten News versorgen
Nachrichten und soziale Medien beliefern uns mit einem Übermaß an negativen Botschaften. Sie zeichnen ein unrealistisch schlechtes Bild der Welt. Das raubt uns Hoffnung und Energie. Deshalb lohnt es, auch für das persönliche Wohlbefinden, sich gezielt von positiven Entwicklungen erzählen zu lassen.

Gespräche suchen
Wann haben Sie das letzte Mal ein gutes Gespräch zur Lösung der ökologischen Menschheitskrise geführt? Die Stimmung ist nicht nur zu diesem Thema zunehmend aufgeheizt. Gute Gespräche können entstehen, wenn wir gut zuhören und uns Moralappelle verkneifen – wenn wir unsere Sorge um die Zukunft und eigene holprige Handlungsversuche teilen.
 

Das Ganze als Abenteuer sehen
Der Wandel ist keine Kaffeefahrt – auch wenn Spaß haben erlaubt ist. Sich zu engagieren, Geschäftsmodelle neu zu erfinden, neue Allianzen einzugehen – das sind Herausforderungen. Wir stoßen an Grenzen, lassen aber nicht locker, sondern wachsen an unseren Aufgaben. Wir suchen und finden Verbündete und feiern unsere Erfolge.


Auf sich aufpassen
Achtung, dass die Veränderungen und unser Engagement für den Wandel uns nicht aus der Kurve treiben. Wir können unsere Widerstandsfähigkeit stärken, indem
wir darauf achten, wie es uns geht und was Alarmzeichen für Überlastung sind, und zudem für uns sorgen, unsere Beziehungen pflegen und einen tieferen Sinn des Lebens finden und kultivieren. Bietet es sich nicht an, dass dieser tiefere Sinn darin besteht, an einer besseren Welt mitzuwirken?

Text / Maike Sippel