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Magazin der Schüßler-Plan Gruppe

Ausgabe 22 | 2024 Alles klar!

Dialog | Feuerwachen

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Feuerwachen zu planen ist ein Spagat: Ingenieur*innen finden sich an der Schnittstelle zwischen Bedarf und Wunsch, Nutzung und Auftrag. Deshalb ist eine maßgeschneiderte Aufgabenund Rollenverteilung unerlässlich, berichtet Matthias Lomberg, Teamleiter Projektmanagement bei Schüßler-Plan.

Feuerwachen bilden kollektive Anker. Die meisten Feuerwehrmänner und -frauen in Deutschland sind in Freiwilligen Feuerwehren organisiert, nur etwa sechs Prozent arbeiten hauptamtlich als Feuerwehrkräfte. Für die Gebäude des Feuerwehr- und Rettungsdienstes bedeutet dies, dass sich deren Anforderungen nicht nur aus der Einsatzperspektive definieren, sondern auch an den Bedarfen der ehrenamtlich Tätigen orientieren und einen gesellschaftlichen Aspekt abbilden. Die Feuerwehrleute investieren Zeit und Engagement, um anderen zu helfen, finden aber bei dieser Aufgabe untereinander auch Kameradschaft und Zusammengehörigkeit. Dies macht die Aufgabe, Feuerwachen zu planen und zu bauen, vielfältig und zu einer besonderen Herausforderung. Denn um die rund um die Uhr andauernden Dienst- und Einsatzzeiten bewerkstelligen zu können, müssen die Räume der Feuerwachen sowohl funktional als auch sozial attraktiv gestaltet werden. Sie benötigen neben ihren Fahrzeughallen, Schleusen und Rutschstangen zudem Räume mit einer hohen Aufenthaltsqualität, Ausbildungs-, Übungs und Sportflächen sowie Werkstätten. Zwischen den notwendigen feuerwehrspezifischen und den freizeitlich-gemeinschaftlichen Räumen müssen die Feuerwachen reibungslose Abläufe ermöglichen. Demzufolge haben Feuerwachen eine heterogene Gebäudestruktur.

Hinzu kommt die Abhängigkeit zwischen den Außenanlagen und dem Gebäude, die im Vergleich zu anderen Gebäuden größer ist. Alle Geräte müssen gut erreichbar, die Wege leicht zugänglich sein. Entsprechend muss die Feuerwache so auf dem Grundstück angeordnet sein, dass beispielsweise ein- und ausfahrende Einsatzfahrzeuge sich nicht kreuzen. Beim Neubau einer Feuerund Rettungswache sind nicht nur die Lage im Stadtgebiet und die Hilfsfristen zu berücksichtigen, sondern auch das städtebauliche Umfeld. Das Gebäude muss gut integriert werden, um Beeinträchtigungen für die Nachbarn zu minimieren sowie einen einfachen und schnellen Übergang zum öffentlichen Straßenraum zu garantieren.

Neben den notwendigen Maßnahmen für den Anschluss an das öffentliche Straßennetz, spielt häufig auch die Herbeiführung des Planungsrechts eine Rolle. Schüßler- Plan steuert die Bauleitplanverfahren und verzahnt sie mit der Planung des Hochbaus. Die Feuerwehren rücken nicht nur bei Bränden aus, sondern unterstützen häufig den Rettungsdienst und helfen bei Gefahren wie Starkregen. Während lange der Umbzw. Neubau der Hauptwachen mit Einsatzleitstellen und hauptamtlichen Kräften im Fokus standen, werden heute vielerorts die Feuerwehrgerätehäuser ertüchtigt. Diese dezentralen Standorte ergänzen die Rettungswachen im Stadtgebiet und ländlichen Raum, um kurze Einsatzzeiten sicherzustellen und entlegene Strukturen zu bedienen.

Immer anders

Matthias Lomberg ist Ingenieur und arbeitet seit 2007 bei Schüßler-Plan, wo er für die Projektsteuerung vieler Feuer- und Rettungswachen zuständig ist. „Ich kenne keinen Nutzer, bei dem die Planungsaufgabe so komplex und für uns in der Steuerung ein so großer Spagat ist wie bei Feuer- und Rettungswachen“, sagt Lomberg. Einer der wichtigsten Parameter für die Projektsteuerung ist der Bedarfsplan. Im kommunalen Rahmen findet eine Bestandsaufnahme der Feuerwehr- und Krankenhauslandschaft und der standortspezifischen Aufgaben statt. Darauf aufbauend werden der Feuerwehr- und der Rettungsbedarfsplan entwickelt, der die Gebäudestandorte, die erforderlichen Einsatzkräfte und ihr Material festlegt. Dabei reagiert er auf überregionale Strukturen und definiert, an welchen Standorten wie viele Einsatzkräfte mit welchem Material gebraucht werden.

Alle Feuerwehrprojekte, die Schüßler-Plan bearbeitet, unterscheiden sich. „Es gibt keine Blaupause für Feuerwehr- und Rettungsdienstgebäude, sondern sie entstehen aus den Abläufen und dem Bedarf der Nutzer*innen heraus“, erzählt Matthias Lomberg weiter. Da die Feuerwehr mit vielen Restriktionen eine kompromisslose Bauaufgabe darstellt, bekommen die Nutzer*innen einen besonders hohen Stellenwert. Manchmal gehen jedoch ihre Wünsche über den Bedarf hinaus. Dann legen die Architekt*innen und Ingenieur*innen alles in die Waagschale, filtern zwischen Bedarf und Wunsch und versuchen, den Nutzer optimal mit seinen Bedürfnissen zu berücksichtigen. Als Projektsteuerer bildet Schüßler-Plan die Schnittstelle zwischen den Nutzer*innen und der Auftraggeber*in: „In der Projektsteuerung sind wir diejenigen, die das offene Ohr an der richtigen Stelle haben“, erklärt Lomberg. Was ist der Bedarf? Was gehört an welcher Stelle ins Gebäude? Wo und vor allem wie können ablauforientierter Bedarf und nutzerspezifische Wünsche optimal realisiert werden? Die Architekt*innen und Ingenieur*innen hinterfragen, wägen ab und passen auf, weil jeder Quadratmeter Gebäude und Freianlagen kostspielig ist, deutlich höher als bei vielen anderen Projekten.

Feuerwachen sind für uns Projektsteuerer in Anbetracht der vielfältigen Rahmenbedingungen – sei es die Erschließung des Geländes oder die hohen Anforderungen an die multifunktionalen Räume – etwas Herausragendes und zählen zu den intensivsten Hochbauprojekten. Wenn zwei Feuerwachen auf dem Gelände des größten deutschen Verkehrsflughafen errichtet beziehungsweise erweitert werden, kommen weitere Herausforderungen hinzu, etwa die Realisierung unter laufendem Flughafenbetrieb und sicherheitsrelevante Aspekte. Um bei solchen Projekten die Übersicht und einen kühlen Kopf zu behalten, bedarf es einer strukturierten Arbeitsweise und umfangreicher Erfahrung, auch im Umgang mit
den verschiedenen am Projekt beteiligten Personen.

Michael Buysch,
Abteilungsleiter Projektmanagement,
Schüßler-Plan Frankfurt

Roter Faden

„Die Projektsteuerungsaufträge sind meist so ausgeschrieben, dass wir beratend in Stabsfunktion für die Projektleitung unsere Leistungen erbringen, dabei aber immer den Blick zum Nutzer halten,“ erklärt Lomberg. Die Projektsteuerung ist kein klassischer Projektbeteiligter wie ein Planer oder Ausführender, sondern ein wichtiger Teil des Bauherrn mit dem richtigen Gespür für den Bedarf der Nutzer. Eine Besonderheit im Feuerwehr- und Rettungswesen ist die Vielzahl an Anforderungen und Verantwortlichkeiten. Matthias Lomberg und sein Team müssen in der Planung sicherstellen, dass alle Themen abgearbeitet werden und ein stabiles Bausoll definiert wird. Es gilt, den roten Faden im Blick zu behalten. Ein wichtiges Werkzeug in der Projektsteuerung bei Schüßler-Plan ist der Projektstrukturplan, in dem das Projekt in steuerbare Arbeitspakete aufgeteilt wird. Er dient zur Festlegung der Verantwortlichkeiten und ermöglicht durch eine Codierung die gemeinsame Projektsprache aller Beteiligten.

Zugleich stellt sich die Frage, inwiefern die Digitalisierung weitere Möglichkeiten bereitstellt, diese gemeinsame Projektspache zu entwickeln. „Bei dem heterogenen Kreis von Beteiligten können digitale Werkzeuge für die Kommunikation und das gemeinsame Verständnis eine wichtige Rolle einnehmen, sowohl intern als auch extern“, erzählt Matthias Lomberg. Visualisierungen und 3D-Modelle sind starke Instrumente, um zu transportieren, was entsteht und die Öffentlichkeit mitzunehmen. „Bei den Auftraggeber*innen stellen wir ein wachsendes Interesse an der modellbasierten Planung (BIM) und für digitale Zwillinge fest, aber wir müssen sie für ihren Nutzen auch sensibilisieren“, sagt Lomberg. „Es gibt finanzielle und organisatorische Vorbehalte gegenüber Neuem und Unbekanntem, und diese Ängste müssen wir abbauen, indem wir die Vorteile der Digitalisierung zeigen. Ein gesundes Abwägen ist dabei erforderlich.“

Die Steuerer sind stets auf der Suche nach der besten Lösung. Weil jedes Feuerwehrprojekt anders ist, spricht Matthias Lomberg Architekt*innen und Ingenieur* innen einen gewissen Freiheitsgrad für die Lösung der Aufgabe zu. Sie müssen sensibel zuhören und mit ihrer Expertise eine gute Lösung für den Einzelfall am jeweiligen Standort entwickeln. „Für mich ist das gelungenste Projekt das, bei dem wir den Bedarf der Nutzer*innen unter den Randbedingungen des Bauherrn und des Umfelds am jeweiligen Standort optimal bedienen.“

Schüßler-Plan Projekte im Überblick

Projektsteuerung
  • Feuer- und Rettungswache IV, Bochum-Weitmar
  • Feuerwehrgerätehaus und Rettungswache, Bochum-Linden
  • Feuerwehrgerätehaus, Märkische Straße Bochum
  • Feuerwache-Süd, Neuss-Hoisten
  • Infrastrukturentwicklung Feuerwachen, Flughafen Frankfurt
  • Feuer- und Rettungswache, Alt-Friedrichsfelde Berlin
Tragweksplanung
  • Feuer- und Rettungswache, Stadt Frechen
  • Freiwillige Feuerwehr & Kultur und Heimathaus, Blankenberg
  • Feuer- und Rettungswache, Flughafen Düsseldorf
  • Feuer- und Rettungswache, „An der Landwehr“ Gelsenkirchen
  • Feuerwachen Ost und West, Flughafen Berlin Brandenburg

Text / Marie Bruun Yde
Fotos / Dirk Krüll