Magazin der Schüßler-Plan Gruppe
Ausgabe 22 | 2024 Alles klar!
Wer etwas plant und dann seine Planungen in die Tat umsetzt, muss eine Vielzahl von Entscheidungen treffen. Tatsächlich tun wir das tagtäglich nahezu ständig und empfinden dies einerseits als Freiheit, unser Leben zu gestalten, andererseits manchmal als Last oder Problem. Letzteres passiert insbesondere dann, wenn es sich um weitreichende oder schwierige Entscheidungen handelt. Wir wüssten dann gerne, ob es eine gute Methode, einen richtigen Weg oder eine Art „Trick“ gibt, wie man es am besten machen könnte. Denn uns ist bewusst, dass im Entscheidungsprozess unterschiedliche Tücken lauern können – unbewusste Gefühle oder Voreingenommenheit, mangelnde Informationen, Zeitdruck oder fehlende Orientierung. Wohl wissend, wie schwierig es ist zu entscheiden, haben wir gleichzeitig oft das Gefühl, dass nicht nur das Gelingen einzelner Projekte, sondern vielmehr in Summe das Gelingen unseres Lebens in starkem Maße davon abhängt, dass wir die „richtigen“ Entscheidungen treffen. Wenn wir immer richtig entscheiden würden, so die Idee, würde in unserem Leben wenig schiefgehen. Insofern das Lebensglück vom erfolgreichen Umsetzen eigener Lebenspläne und Ideen abhängt, könnten wir ihm vermutlich durch richtige Entscheidungen ziemlich nahekommen.
Die Frage ist allerdings, ob es „richtige Entscheidungen“ überhaupt gibt und mit welchen Methoden oder Schritten man sie treffen könnte. Ist es besser, lange zu überlegen und das Für und Wider sorgfältig abzuwägen? Oder sind nicht die schnellen, spontanen Entscheidungen die besten? Sollte man immer möglichst rational vorgehen? Oder ist es klüger, seinen Gefühlen zu folgen?
In der Geschichte der Philosophie hat man über Jahrhunderte den Gedanken verfolgt, dass gute Entscheidungen rational sein müssen, das heißt, von der Vernunft gesteuert. In der modernen Entscheidungstheorie galt lange unangefochten das sogenannte „Rational Choice Paradigma“: ein Entscheidungsmodell, bei dem der Mensch – als rationaler Egoist – danach strebt, seinen Nutzen zu maximieren und auf der Basis eines rationalen Kalküls die bestmögliche Alternative zu wählen. Diese Idee geriet gegen Ende des 20. Jahrhunderts zunehmend in die Kritik. Die empirische Psychologie, aber auch die Neurologie zeigten in vielen Experimenten, dass Menschen de facto oft gar nicht rein rational entscheiden, sondern sich von Vorurteilen, systematischen Fehleinschätzungen, Gefühlen, Vorlieben oder dem Verhalten beziehungsweise den Entscheidungen anderer beeinflussen lassen.
Zudem versuchen Menschen nicht immer, ihren Nutzen zu maximieren. Oft geben sie sich mit weniger zufrieden und definieren für sich einen suboptimalen Level für das angestrebte Ergebnis, mit dem sie einverstanden sind. Wir suchen beispielsweise bei der Produktauswahl als Konsumenten nicht unendlich lange nach der besten Preis-Leistungs-Alternative, sondern schauen uns eine begrenzte Auswahl an und entscheiden dann schnell – auch wenn wir wissen, dass es vielleicht eine bessere Alternative gegeben hätte.
Die Beschäftigung der Forschung mit unserem tatsächlichen Entscheidungsverhalten hat gezeigt, dass wir im Wesentlichen auf zwei unterschiedliche Weisen Entscheidungen treffen. Der amerikanische Entscheidungsforscher Daniel Kahnemann hat die These vertreten, dass wir im Prinzip über zwei Systeme des Entscheidens verfügen: Das erste, das „automatisch und schnell“ arbeitet, „weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung“. Und das zweite, das komplexe Berechnungen und Abwägungen ausführt, die Konzentration und Aufmerksamkeit verlangen. Beide Systeme haben ihre Stärken und Schwächen und wir benutzen sie, ohne groß darüber nachzudenken, gleichermaßen in unterschiedlichen Entscheidungssituationen. Das zweite System wird in Anspruch genommen, wenn das erste an seine Grenzen kommt und uns nicht weiterhelfen kann, weil die zu entscheidenden Dinge zu komplex sind. Die Arbeitsteilung zwischen den Systemen minimieren den Aufwand und optimieren die Leistung.
Eine ähnliche Unterscheidung trifft der Berliner Entscheidungsforscher und Psychologe Gerd Gigerenzer. Er unterscheidet zwischen „Bauchentscheidungen“ und den bewusst ausgeführten Entscheidungen, die auf Abwägungen beruhen. Bauchentscheidungen sind schnelle, spontane und unbewusst getroffene Entscheidungen, die in unserem Alltag eine große Rolle spielen. In vielen Abläufen und Routinen treffen wir Bauchentscheidungen und nur wenn diese uns nicht weiterhelfen, stellen wir ausführlichere Betrachtungen an. Die Bauchentscheidungen beruhen auf Intuitionen. Damit sind allerdings nicht willkürliche Eingebungen gemeint. Gigerenzer betont, dass Intuitionen für ihn Wissen darstellen, das ins Unterbewusste gesunken ist. Intuitionen sind einfache Entscheidungsmechanismen, die an unsere Umwelt angepasst sind. Das ist der Grund, weshalb sie funktionieren und wir ihnen vertrauen können. Dies sollten wir allerdings nur dann tun, wenn wir uns in Bereichen bewegen, in denen wir kompetent sind und über viel Erfahrung verfügen. Dann fungieren Intuitionen gewissermaßen als Abkürzungen des Entscheidungsprozesses. Für viele Bereiche unseres Lebens haben wir keine Intuitionen ausgebildet und dann sollten wir lieber auf bewusste, durch Kriterien gestützte Abwägungen zurückgreifen. Welche Entscheidungsart besser ist, hängt also davon ab, auf welche Intuitionen wir guten Gewissens zurückgreifen können.
Auch der Neurologe Gerhard Roth plädiert dafür, Bauchentscheidungen im Sinne von emotionalen Entscheidungen ohne Zeitdruck zu misstrauen, aber im Sinne von automatisierten Entscheidungen in Bereichen, in denen wir uns Expertise zuschreiben können, zu vertrauen. Auch rationale Entscheidungen, die auf bewussten Abwägungen oder gar Berechnungen beruhen, sind vertrauenswürdig. Aber wie rational sind unsere rationalen Entscheidungen?
Zu unseren Gefühlen haben wir ein zwiespältiges Verhältnis: Einerseits vertrauen wir ihnen und zählen auf ihre Authentizität und Zuverlässigkeit. Wir nehmen an, dass Gefühle ein guter und vor allem direkter und schneller Indikator dafür sind, was wir wirklich wollen und empfinden. Andererseits wissen wir, dass Gefühle sich schnell ändern können, dass wir vielleicht falsch reagieren und uns in spontanen Reaktionen leicht täuschen können. Es ist sicher richtig, Gefühlen auch zu misstrauen. Wenn wir Gigerenzer und Roth folgen, sollten wir rein gefühlmäßige Reaktionen von Intuitionen, die auf Wissen und Kompetenz beruhen, genau unterscheiden.
Zugleich hat die Entscheidungsforschung gezeigt, dass unsere vermeintlich rationalen Entscheidungen nie ganz frei von Gefühlen sind. In der Philosophie gibt es einen grundsätzlichen Streit über die Rolle von Gefühlen und Leidenschaften in Hinblick auf Entscheidungen: Immanuel Kant vertritt im 18. Jahrhundert die These, dass wir nur frei als Vernunftwesen entscheiden, wenn unser Wille nicht unseren sinnlichen Antrieben unterliegt, sondern einzig dem folgt, was die Vernunft gebietet.
Der schottische Philosoph David Hume dagegen legt Wert darauf, dass die Vernunft uns nur das Für und Wider einer Sachlage aufzeigen kann, dass sie aber nie ausschlaggebend für die Entscheidung sei. Entscheidend seien die Leidenschaften, Wünsche oder Interessen, die letztendlich angesichts des Kalküls der Vernunft überwiegen. Die zeitgenössische Forschung scheint nun eher Hume zu bestätigen, gleichwohl behält Kant aber auch recht: Je mehr wir uns von unseren unhinterfragten Gefühlen leiten lassen, desto unfreier und irrtumsanfälliger ist unsere Entscheidung.
Unser Wunsch ist es, die „richtigen“ Entscheidungen zu treffen. Je länger man sich allerdings mit dieser Thematik befasst, desto unklarer wird, was das eigentlich heißen soll. Was ist „richtig“? Was sich bewährt, der Norm entspricht, man auch später noch befürworten kann, wofür einen die anderen loben oder was den maximalen Nutzen bedeutet? Je nach Entscheidung können unterschiedliche Antworten einschlägig sein.
Vielleicht ist es angesichts dessen sinnvoll, sich weniger von der Idee der richtigen Entscheidung als einem problematischen Maßstab stressen zu lassen und vielmehr nach „guten“ Entscheidungen zu streben. Das sind meiner Ansicht nach diejenigen, die wir nach bestem Wissen und Gewissen getroffen haben, die wir gut begründen können und zu denen wir auch dann noch stehen können, wenn sich zeigt, dass sie nicht optimal waren. Hinterher sieht die Sache immer anders aus. Wir müssen zu dem stehen, was wir auf Basis des vorliegenden Wissens in der tatsächlichen Situation entscheiden konnten. Zudem ist eine zentrale Einsicht im Leben, dass wir gar nicht immer wissen, was das Richtige ist. Vieles von dem, was wir anstreben, entpuppt sich später als weniger attraktiv, als wir dachten. Und vermeintliche Fehlentscheidungen können ein Potential für neue Wege und Erkenntnisse entfalten, die unser Leben möglicherweise bereichern. Entscheidungen treffen zu können und zu müssen, bedeutet auch, eine weise Haltung zu jenen getroffenen Entscheidungen zu entwickeln, die wir nicht noch einmal so treffen würden. Auch das gehört zu unserem Leben und macht unsere Biografie aus. Reflexion, kritische Distanz sich selbst gegenüber und vielleicht auch etwas Humor, Gelassenheit und Lebensweisheit – das sind wichtige Begleitformen unseres komplexen, vielschichtigen, alltäglichen Entscheidungsverhaltens.
Kommentar l Pia Langmann
Das persönliche Mindset und die individuelle Entscheidungsfindung beeinflussen die Dynamik und Leistungsfähigkeit einer Organisation. Dabei darf der Einfluss der Unternehmenskultur auf die Entscheidungsprozesse nicht vernachlässigt werden.
Bei der Umsetzung von Projekten oder Bauvorhaben ist das Treffen von „guten“ Entscheidungen von zentraler Bedeutung für den Erfolg. Es fordert von Ingenieur* innen eine sorgfältige Abwägung technischer, finanzieller und zeitlicher Faktoren sowie eine umfassende Analyse der Risiken und Chancen. Oft müssen Entscheidungen unter Druck und Berücksichtigung verschiedener Interessen sowie in komplexen Situationen getroffen werden.
Die individuellen Überzeugungen und Denkmuster einer Person beeinflussen ihr Entscheidungsverhalten, auch am Arbeitsplatz. Zugleich prägen die gemeinsamen Werte, Normen und Verhaltensweisen innerhalb eines Unternehmens die persönliche Denkweise. Die Art und Weise wie Entscheidungen getroffen werden, spiegelt demnach oft die kollektiven Werte der Unternehmenskultur wider.
Dies entbindet Personen nicht von individueller Verantwortung. Es bedeutet aber, dass es für Unternehmen von entscheidender Bedeutung ist, Mitarbeiter* innen zu befähigen, Entscheidungen kompetenzbasiert und umsichtig zu treffen, Probleme zu lösen und den reibungslosen Ablauf von Projekten sicherzustellen.
Um das zu gewährleisten, muss ein professioneller Rahmen geschaffen werden, der Raum für eine offene Fehlerkultur, Mut und Innovationsgeist bietet: eine Haltung, die bei Schüßler-Plan aktiv gefördert und auch eingefordert wird.